Rz. 245

Die Neuregelung der organschaftlichen Vertretung der GbR in § 720 BGB[473] (in partieller Übereinstimmung mit § 124 HGB für die OHG) – parallel zur Geschäftsführungsbefugnis – hat folgenden Wortlaut (wohingegen § 720 BGB alt den Schutz des gutgläubigen Schuldners geregelt hatte):

 

(1) Zur Vertretung der Gesellschaft sind alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes.

(2) Die zur Gesamtvertretung nach Absatz 1 befugten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.

(3) Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung, dass sich die Vertretung nur auf bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften erstreckt oder dass sie nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll.

(4) Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 715 Absatz 5 ganz oder teilweise entzogen werden.

(5) Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter.

 

Rz. 246

Aufgrund der gesetzlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit (vgl. § 705 Abs. 2 Hs. 1 BGB) erteilt die Gesellschaft selbst und unabhängig vom Gesellschafterbestand die Vollmacht.[474] Es erfolgt keine Unterscheidung zwischen eingetragener und nicht eingetragener GbR.[475]

Vgl. zur Registerpublizität der Angaben zur Vertretungsbefugnis in der Gesellschaft § 707 Abs. 2 Nr. 3 BGB und § 707a Abs. 3 S. 1 BGB jeweils i.V.m. § 15 HGB.

 

Beachte:

§ 720 BGB regelt nur die organschaftliche Vertretung – nicht die Bevollmächtigung von Gesellschaftern oder Dritten.[476]

[473] Dazu näher Lieder, Geschäftsführung und Vertretung im modernisierten Personengesellschaftsrecht, ZGR-Sonderheft 23 (2021), 169.
[474] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 162.
[475] Schäfer/Habersack, § 4 Rn 13. Wobei in Bezug auf die nicht eingetragene GbR der Umstand, dass die Gesellschafter ggf. ihre Vertretung nachweisen müssen, Anreiz sein soll, von der Eintragungsoption Gebrauch zu machen: RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 162.
[476] Schäfer/Habersack, § 4 Rn 13.

1. Gesamtvertretungsbefugnis

 

Rz. 247

Zur Vertretung der Gesellschaft sind – so der gesetzliche Regelfall – nach § 720 Abs. 1 BGB bei der GbR (im Unterschied zur OHG – Einzelvertretungsbefugnis gemäß § 124 Abs. 1 HGB) alle Gesellschafter gemeinsam befugt (Gesamtvertretungsbefugnis), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes (nämlich Einzelvertretung bzw. eine Kombination von Einzel- und Gesamtvertretung).

§ 720 Abs. 1 BGB gilt sowohl für die im Gesellschaftsregister eingetragene als auch für die nicht eingetragene GbR.[477]

 

Beachte:

Allerdings genießt nur die im Gesellschaftsregister eingetragene Einzelvertretungsbefugnis Registerpublizität – wohingegen "die Gesellschafter einer nicht eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihre Einzelvertretungsbefugnis weiterhin z.B. durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde nachweisen müssen".[478]

[477] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 162.
[478] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 162.

2. Gesamtvertreterermächtigung

 

Rz. 248

Die zur Gesamtvertretung nach § 720 Abs. 1 BGB befugten Gesellschafter können gemäß § 720 Abs. 2 BGB – in Nachbildung des § 125 Abs. 2 S. 2 HGB alt (§ 124 Abs. 2 S. 2 HGB) – im Interesse einer flexibleren Handhabung der Gesamtvertretung einzelne von ihnen zur

Vornahme bestimmter Geschäfte oder
bestimmter Arten von Geschäften

ermächtigen (Ausübungsermächtigung).

Durch die Ermächtigung kann der ermächtigte Gesamtvertreter für alle Gesamtvertreter handeln und somit die GbR wirksam organschaftlich vertreten.[479]

 

Beachte:

Die Ausübungsermächtigung kann (analog dem OHG-Recht) nicht im Gesellschaftsregister eingetragen werden.[480]

 

Rz. 249

Als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts kann die organschaftliche Vertretung grundsätzlich nur höchstpersönlich ausgeübt werden, womit § 720 Abs. 2 BGB als "Auflockerung des Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit" zu qualifizieren ist.[481]

[479] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 163.
[480] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 167.
[481] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 163 unter Bezugnahme auf Staub/Habersack, § 125 HGB Rn 46.

3. Umfang der Vertretungsmacht

 

Rz. 250

Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich nach § 720 Abs. 3 S. 1 BGB auf alle Geschäfte der Gesellschaft.

 

Rz. 251

Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist (als allgemeines gesellschaftsrechtliches Prinzip,[482] vgl. § 124 Abs. 4 S. 2 HGB, § 82 Abs. 1 AktG, § 37 Abs. 2 GmbHG bzw. § 27 Abs. 2 GenG) zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der GbR im Außenverhältnis (Verkehrsschutz) gemäß § 720 Abs. 3 S. 2 BGB Dritten gegenüber unwirksam (unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsbefugnis im Unterschied zum früheren Recht),[483] was nach § 720 Abs. 3 S. 3 BGB (entsprechend § 124 Abs. 4 S. 3 HGB) insbesondere für die Beschränkung gilt, dass sich die ...

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