Rz. 391

Die Neuregelung des § 736 BGB statuiert die primäre Zuständigkeit der Gesellschafter für die Durchführung der Liquidation[665] als "geborene Liquidatoren"[666] (wohingegen § 736 BGB alt das Ausscheiden eines Gesellschafters und dessen Nachhaftung geregelt hatte).

 

(1) Zur Liquidation sind alle Gesellschafter berufen.

(2) Ist über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, tritt dieser an die Stelle des Gesellschafters.

(3) Mehrere Erben eines Gesellschafters haben einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.

(4) Durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter können auch einzelne Gesellschafter oder andere Personen zu Liquidatoren berufen werden. Das Recht, einen solchen Liquidator nach § 736a Absatz 1 Satz 1 zu berufen, bleibt unberührt.

(5) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, gilt dies im Zweifel nicht für die Berufung und Abberufung eines Liquidators.

 

Rz. 392

In § 736 Abs. 1 und 4 sowie in § 736b BGB finden sich für die Vertretung der Liquidationsgesellschaft Parallelregelungen zu § 144 Abs. 1 und 4 sowie § 146 Abs. 1 S. 2 HGB alt.[667]

[665] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.
[666] Schäfer/Noack, § 9 Rn 19.
[667] Schäfer/Habersack, § 4 Rn 19.

1. Durchführung der Liquidation durch alle Gesellschafter

 

Rz. 393

Zur Liquidation sind nach § 736 Abs. 1 BGB als mitgliedschaftliches Pflichtrecht[668] "alle" Gesellschafter als sog. geborene Liquidatoren berufen. In der korrespondierenden Verpflichtung zur Mitwirkung an der Liquidation konkretisiert sich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.[669]

Infolgedessen sind auch die bislang von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter Liquidatoren, was "im Regelfall sachgerecht" ist:[670] Aufgrund der Auflösung entfällt die Gemeinsamkeit der Interessen, weswegen "der Wille der Gesellschafter für das Liquidationsstadium im Zweifel dahin [geht], die Liquidation gemeinsam vorzunehmen und sich dabei gegenseitig zu kontrollieren".[671]

 

Beachte:

Gleichwohl besteht die Möglichkeit, die Liquidation im Vorfeld einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zu übertragen bzw. auch nachträglich durch Gesellschafterbeschluss einzelne Gesellschafter oder andere Personen zu Liquidatoren zu berufen (vgl. § 735 Abs. 3 bzw. § 736 Abs. 4 S. 1 BGB[672] – sog. gekorene Liquidatoren).

[668] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.
[669] Schäfer/Noack, § 9 Rn 20.
[670] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.
[671] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.
[672] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.

2. Sonderfall: Insolvenzverfahren

 

Rz. 394

Ist über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, tritt dieser gemäß § 736 Abs. 2 BGB – der § 146 Abs. 3 HGB alt nachgebildet ist – an die Stelle des Gesellschafters. Damit erfolgt eine Klarstellung, "dass der Insolvenzverwalter in der Liquidation die Befugnisse des Gesellschafter-Schuldners als Liquidator ausübt, aber nicht selbst Liquidator wird".[673]

 

Rz. 395

Die Regelung greift nicht nur dann, wenn die Gesellschaft "durch Insolvenz über das Vermögen des Gesellschafters aufgelöst worden ist, sondern auch dann, wenn die Gesellschaft bereits aufgelöst war, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde".[674]

[673] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.
[674] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 183.

3. Mehrere Erben eines verstorbenen Gesellschafters müssen einen gemeinsamen Vertreter bestellen

 

Rz. 396

Mehrere Erben eines Gesellschafters (d.h. die Erbengemeinschaft, vgl. §§ 2032 ff. BGB) haben nach § 736 Abs. 3 BGB – der § 146 Abs. 1 S. 2 HGB alt nachgebildet ist – im Interesse der Rechtssicherheit[675] einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, weil "der Anteil eines verstorbenen und von mehreren Erben beerbten Gesellschafters – anders als bei Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters – ungeteilt auf die Miterben übergeht, sofern die Gesellschaft aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung durch Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird oder ein Gesellschafter nach Auflösung verstirbt".[676]

[675] Schäfer/Noack, § 9 Rn 20.
[676] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 184: "Nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB stünde in diesem Fall die Ausübung des mitgliedschaftlichen Pflichtrechts zur Liquidation allen Miterben gemeinsam zu. Dies wäre mit dem Interesse der anderen Gesellschafter an alsbaldiger Abwicklung nicht zu vereinbaren".

4. Übertragung der Liquidation auf einzelne Gesellschafter oder andere Personen

 

Rz. 397

Durch Vereinbarung (bereits) im Gesellschaftsvertrag oder nachträglich durch einen (ad hoc-)Beschluss der Gesellschafter können (vor oder nach Auflösung der Gesellschaft) nach § 736 Abs. 4 S. 1 BGB – in Anlehnung an § 146 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 HGB alt – auch einzelne Gesellschafter oder andere Personen zu (gekorenen) Liquidatoren berufen werden (neutrale Drittliquidatoren),[677] was sich an sich bereits aus § 735 Abs. 3 BGB ergibt (Liquidationsvorschriften stehen grundsätzlich zur Disposition der Gesellschafter).[678]

 

Rz. 398

Das Recht, einen solchen Liquidator nach § 736a Abs. 1 S. 1 BGB (Recht zur gerichtlichen Berufung von Liquidatoren bei Vorliegen eines "wichtigen Grund...

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