Rz. 127

§ 709 Abs. 3 BGB fast den Regelungsgehalt von § 709 Abs. 2[244] und § 722 BGB[245] alt zusammen "und führt ihn auf den gemeinsamen Ursprung, nämlich die Gleichbehandlung aller Gesellschafter, zurück",[246] womit dem Gleichbehandlungsgrundsatz als zentralem Ordnungsprinzip für die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten Rechnung getragen werden soll.[247]

 

Rz. 128

Die Stimmkraft und der Anteil an Gewinn und Verlust (Verteilungsschlüssel) richten sich nach § 709 Abs. 3 S. 1 BGB vorrangig nach den vereinbarten Beteiligungsverhältnissen. Das vereinbarte Beteiligungsverhältnis ist "eine Rechnungsziffer, die den (Buch-)Wert der wirtschaftlichen Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck bringen soll und die von den Gesellschaftern landläufig als Kapitalanteil vereinbart wird (Anteilsquote)"[248] – d.h., es werden Einlagen mit darauf bezogenen Kapitalanteilen vereinbart.[249]

 

Rz. 129

Sind keine Beteiligungsverhältnisse vereinbart worden, richten sie sich gemäß § 709 Abs. 3 S. 2 BGB nach dem Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge (Beitragswerte), was darin begründet liegt, dass das vereinbarte Beteiligungsverhältnis von dem vereinbarten Wert des Beitrags abweichen kann, weshalb nur hilfsweise auf die Beitragsquote abzustellen ist.[250] "Die Alternative, auf die tatsächlichen anstelle der vereinbarten Werte der Beiträge abzustellen, wäre wegen der damit verbundenen Bewertungsnotwendigkeit für die Praxis als generelle Regelung hingegen unbrauchbar".[251]

 

Rz. 130

Sind auch Werte der Beiträge nicht vereinbart worden, hat nach der Auffangregelung des § 709 Abs. 3 S. 3 BGB jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf den Wert seines Beitrags die gleiche Stimmkraft und einen gleichen Anteil am Gewinn und Verlust (Kopfteil). Der Gesetzgeber geht davon aus, "dass sich diese Auffangregelung für eine der Parteien als so ungünstig erweisen wird, dass sie auf die Aushandlung einer abweichenden Vereinbarung drängen wird",[252] weshalb die Regelung die Gesellschafter dazu anhalten dürfte, bereits im Stadium der Gesellschaftsgründung eine Vereinbarung über das Beteiligungsverhältnis oder über das Wertverhältnis ihrer Beiträge zwecks Vermeidung künftigen Streits im Hinblick auf die Berechnung von Beschlussmehrheiten oder die Gewinn- und Verlustverteilung zu treffen.[253]

 

Rz. 131

Zu beachten ist auch § 718 BGB (periodische Gewinnverteilung nach Rechnungsabschluss) – im Zweifel zum Schluss eines jeden Kalenderjahres.

 

Rz. 132

Die Stimmkraft und die Verteilung von Gewinn und Verlust richten sich somit – wohl auch entsprechend der bereits geltenden Praxis[254] – nach folgender Stufenleiter:[255]

1. Vorrangig gilt das vereinbarte Beteiligungsverhältnis;
2. hilfsweise gilt das Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge;
3. höchsthilfsweise erfolgt eine Bemessung nach Köpfen.
 

Rz. 133

Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, nach den einzelnen denkbaren Fallkonstellationen eine Differenzierung vorzunehmen (z.B. nach der Verhandlungsposition der jeweiligen Gesellschafter oder ob alle Gesellschafter Vermögensbeiträge geleistet bzw. einzelne nur persönliche Dienstleistungen erbracht haben): Dies hätte "nur zu einer misslichen Kasuistik" geführt.[256] Sollten sich gleichwohl "im Einzelfall signifikante Wertunterschiede bei den Beiträgen ergeben, aber ein Wert nicht ausdrücklich vereinbart worden sein, ist anstelle einer Beteiligung nach Kopfteilen eine stillschweigend vereinbarte Beitragsquote in Betracht zu ziehen".[257]

[244] "Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen".
[245] "(1) Sind die Anteile der Gesellschafter am Gewinn und Verlust nicht bestimmt, so hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf die Art und die Größe seines Beitrags einen gleichen Anteil am Gewinn und Verlust.

(2) Ist nur der Anteil am Gewinn oder am Verlust bestimmt, so gilt die Bestimmung im Zweifel für Gewinn und Verlust."

[246] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 142 unter Bezugnahme Staudinger/Habermeier, § 706 BGB Rn 1 und § 709 BGB Rn 48 sowie § 722 BGB Rn 3 zum Gleichbehandlungsgrundsatz.
[247] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 142.
[248] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 142 f.
[249] Schäfer/Schäfer, § 6 Rn 60.
[250] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 143.
[251] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 143.
[252] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 143 unter Bezugnahme auf Fleischer/Pendl, WM 2017, 881, 888; K. Schmidt, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd. 3, 1983, S. 536.
[253] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 143.
[254] Aber ohne dass dies nach Ansicht des Gesetzgebers (RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 142) in den §§ 709 Abs. 2 und § 722 BGB alt hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen sei.
[255] Vgl. auch die entsprechende Empfehlung des 71. DJT (Beschluss 20 des 71. DJT, in: Verhandlungen des 71. DJT, Band II/2, 2017, S. 222): Anstelle von Kopfteilen vorrangig Anteils- oder Beitragsquoten vorzusehen.
[256] RegE, BT-Drucks 19/2763...

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