Rz. 29

Der Gesetzgeber hat für ein Sitzwahlrecht für die Personengesellschaften aus mehrerlei Gründen ein praktisches Bedürfnis gesehen:

Die Neuregelung ermöglicht es jetzt deutschen Personengesellschaften ihre gesamte Geschäftstätigkeit auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes zu entfalten (d.h. sie eröffnet die Möglichkeit einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland), ohne dabei auf eine für sie vertraute deutsche Rechtsform verzichten zu müssen.
Eine eindeutige vertragliche Sitzwahl schafft Rechtssicherheit in Fällen, in denen eine dauerhaft zuverlässige Festlegung des Sitzes nicht möglich ist.
Das Sitzwahlrecht liegt im Übrigen im Interesse der Rechtsvereinheitlichung, da entsprechendes – nämlich eine privatautonome Sitzwahl – auch für die GmbH (vgl. § 4a GmbHG) und die AG (vgl. § 5 Abs. 2 AktG) gilt.[44]

Die vormalige Rechtslage konnte in der Vergangenheit für die KG mit einer GmbH als Komplementärin zu Verwerfungen führen.[45]

 

Rz. 30

Nach Ansicht des Gesetzgebers besteht kein sachlicher Grund, "Personengesellschaften, die in noch stärkerem Maße der Privatautonomie unterliegen, das Sitzwahlrecht abzusprechen", was im Hinblick auf eine einheitliche Ausgestaltung des Personengesellschaftsrechts auch bereits die bisherige Rechtslage in Bezug auf den "Sitz" einer Partnerschaftsgesellschaft bestätigt, bei der schon bislang der partnerschaftsvertraglich vereinbarte Sitz für die Registrierung der Partnerschaftsgesellschaft maßgeblich ist.[46] Die Möglichkeit einer "Sitzspaltung" bleibt aber in jedem Fall auf die eGbR (respektive aufgrund des Verweises in § 105 Abs. 3 HGB auf das Recht der Personenhandelsgesellschaften) beschränkt[47] – arg.: Bedeutung des Sitzes (als verlässliche Grundlage)[48] für die Zuständigkeit des

Registergerichts (§ 707 Abs. 1 BGB),
Prozessgerichts (§ 17 Abs. 1 S. 2 ZPO) und des
Insolvenzgerichts (§§ 3, 4 InsO).
[44] Infolge der Streichung von § 4a Abs. 2 GmbHG bzw. § 5 Abs. 2 AktG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, S. 2026).
[45] Für den Fall, dass sich der Unternehmensgegenstand der GmbH (wie häufig) auf die Übernahme der Geschäftsführung und der persönlichen Haftung in der KG beschränkt und kein weiterer unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist, war der Verwaltungssitz der KG mit dem der GmbH identisch, sodass die Komplementärin in ihrer durch das MoMiG geschaffenen Mobilität faktisch eingeschränkt wurde (dazu König/Bormann, DNotZ 2008, 652, 659; Oetker/Preuß, HGB, § 8 Rn 68.
[46] Dazu Ulmer/Schäfer/Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts/PartG, § 3 PartGG Rn 18; Stiegler, ZGR 2017, 312, 324.
[47] Schäfer/Schäfer, § 8 Rn 13.
[48] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 127.

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