Rz. 22

Unter gebührenrechtlichen Aspekten ist die Übernahme eines Mandates problematisch, wenn erkennbar ist, dass dem Mandanten eine Insolvenz droht. Dann muss der Rechtsanwalt fürchten, seine Gebühren nicht mehr einfordern zu können oder erhaltene Leistungen sogar zurückzahlen zu müssen. Insofern muss der Rechtsanwalt Obacht geben, dass keine inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO gegeben ist. Gebührenforderungen oder -zahlungen können aber eventuell als sog. Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO angesehen werden, so dass ein später berufener Insolvenzverwalter die vom Mandanten erbrachten Zahlungen nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO[11] anfechten und damit zurückverlangen kann.

 

Rz. 23

Soweit an einen Rechtsanwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent.

 

Rz. 24

Erbringt ein Rechtsanwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft.[12]

 

Rz. 25

Für die anwaltliche Tätigkeit ergeben sich folgende Konsequenzen:

Hat der Rechtsanwalt seine Bearbeitung noch nicht abgeschlossen, kann er mangels Fälligkeit gemäß § 8 Abs. 1 RVG nur einen Vorschuss nach § 9 RVG verlangen. Eine Zahlung des Mandanten auf eine noch nicht fällige Gebührenforderung wäre inkongruent nach § 131 InsO und somit anfechtbar und damit an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen.
Falls der Rechtsanwalt seine bereits erbrachte Dienstleistung noch nicht abgerechnet hat, wäre eine Bezahlung ebenfalls eine inkongruente Leistung und somit anfechtbar.
 

Rz. 26

Nach der Rechtsprechung des BGH scheidet eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter aus, wenn die Zahlungen als Bargeschäft gemäß § 142 InsO bevorzugt behandelt werden können: Dazu ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Leistung und der Gegenleistung (Zeitraum zwischen der Mandatsannahme/dem Tätigkeitsbeginn und der Bezahlung der Gebührenrechnung) erforderlich. Ein Bargeschäft scheidet aus, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Bezahlung mehr als 30 Tage liegen.

 

Rz. 27

Konsequenz: Der Rechtsanwalt sollte in regelmäßigen Zeitabständen Vorschüsse – z.B. mit festen monatlichen Teilleistungen (jedoch keine Ratenzahlungen!) – verlangen, wobei der Höhe nach eine "wertäquivalente Vergütung" für die nächsten 30 Tage nicht überschritten werden darf. Die unterzeichnete Rechnung muss nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG dem Auftraggeber mitgeteilt werden. Zahlt der Mandant laufend verspätet oder hält er Zahlungsziele nicht mehr ein, sind solche Zahlungen anfechtbar. Das Mandat sollte beendet werden. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt Folgendes:

Zitat

"Insbesondere können auch Dienstleistungen eines Rechtsanwalts Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt, denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen. Allerdings sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet. Es ist einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der anfechtungsrechtlichen Bargeschäftsausnahme kommen will, möglich und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert seiner inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen."[13]

[11] Es handelt sich um Rechtshandlungen des Schuldners mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen. Der andere Teil muss zur Zeit dieser Handlung den Vorsatz des Schuldners gekannt haben. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
[12] BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, juris, Leitsätze = BGHZ 167, 190–203.
[13] BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, juris Rn 20 = NJW 2008, 659 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge