Rz. 141

Vor dem Hintergrund der Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Alt. 1 BGB, wonach der Gläubiger den Schuldner auf einen besonders großen Schaden hinzuweisen hat, kann allerdings gut begründet werden, dass nach der verzugsbegründenden Mahnung im Sinne einer Beitreibungseskalation eine weitere Gläubigermahnung geboten ist, mit der dem Schuldner vor Augen geführt wird, dass in einer nächsten Eskalationsstufe die Beitreibung an einen Rechtsdienstleister übergeben wird, soweit dies nicht schon in anderer Weise geschehen sowie grundsätzlich möglich und zumutbar ist. Das gilt erst recht, wenn aufgrund der vertraglichen Regelungen der Verzug auch ohne ein gesondertes Mahnschreiben eintritt.

 

Rz. 142

Da nach § 254 Abs. 2 BGB auf "die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens" aufmerksam zu machen ist, wird diese Voraussetzung je nach den Verhältnissen des Einzelfalles, etwa der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und der gegenstandswertbestimmenden Forderungshöhe, nicht vorliegen. So dürfte für ein Unternehmen eine 0,9-Geschäftsgebühr in Höhe von 44,10 EUR bei Forderungen unter 500 EUR wohl keinen "ungewöhnlich hohen Schaden" darstellen, so dass in diesem Fall keine weitere Mahnung zu fordern sein wird. Auch bei einem Verbraucher dürfte bei Forderungen unter 50 EUR eine 0,9-Geschäftsgebühr von 27 EUR keinen erheblichen Schaden begründen, zumal sie sich auf eine 0,5-Geschäftsgebühr von 15 EUR reduziert, wenn er auf die erste Inkassomahnung sofort zahlt. Andererseits kann bei einem Verbraucher ohne besondere Rechtskenntnisse und bei erkennbar problematischen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine solche erste bzw. zweite Mahnung gefordert sein. Dabei wird in einer wertenden Betrachtung immer auch in den Blick zu nehmen sein, inwieweit der Schuldner seinen Obliegenheiten nachkommt und zu seiner mangelnden Leistungsfähigkeit oder den sonstigen Gründen der Nichtzahlung kommuniziert. Um die Ernsthaftigkeit des Einziehungsprozesses zu wahren, erscheint es ungeachtet rechtlicher Verpflichtungen dabei nicht nur sinnvoll, sondern im Hinblick auf den Schutzzweck von §§ 280, 286 BGB einerseits und § 254 BGB andererseits durchaus dem Schuldnerschutz angemessen, dass die verzugsbegründende Mahnung und die weitere Mahnung mit Hinweis auf § 254 Abs. 2 Alt. 1 BGB in zwei Schreiben erfolgen und nicht mit einander verbunden werden. Ob dies auch rechtlich zwingend ist, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, weil eine solche vorgerichtliche Mahnkette der Praxis der Gläubiger entspricht.

 

Rz. 143

Das Amtsgericht[348] setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass in dem von ihm entschiedenen Fall die Gläubigerin zwei außergerichtliche Mahnungen, darunter die verzugsbegründende Mahnung versandt hatte, ohne dass dies zu einem Forderungsausgleich oder auch nur einer Kontaktaufnahme des Schuldners – ist das nicht das Mindeste was von diesem verlangt werden darf? – führte. Im zweiten Mahnschreiben hatte die Gläubigerin nach dem Sachverhalt – ihrer dargestellten Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Alt. 1 BGB gerade genügend – den Schuldner auch darauf hingewiesen, dass bei einer (weiteren) Nichtzahlung eine Abgabe an einen Rechtsdienstleister erfolgen wird. Nach der hier vertretenen Auffassung hatte die Gläubigerin anders als der Schuldner ihre Obliegenheiten erfüllt.

 

Rz. 144

Der im Jahre 1976 entschiedene Fall des BGH[349] beschäftigt sich nicht mit einer solchen Fallkonstellation. Ausweislich des Tatbestandes der Entscheidung des BGH begehrte der dortige Kläger, ein Landschaftsverband, die Kosten für die Feststellung und Geltendmachung eines Schadens – vergleichbar der vertraglich geschuldeten Rechnungstellung – nach der Beschädigung von Einrichtungen einer Autobahn. Gestritten wurde darum, ob der Umstand, dass solche Fälle bei der Geschädigten besonders häufig vorkommen, im Hinblick auf die Erstattung der Feststellungs- und Geltendmachungskosten eine Besonderheit begründet. Das verneint der BGH.[350] Der BGH führt im Ergebnis aus, dass kein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des Zeitaufwandes "zur Wahrung seines Entschädigungsanspruchs" besteht.[351] Im Fall des BGH ging es also um die eigentliche Anspruchsbegründung, die Schadensfeststellung und dessen Geltendmachung. Das ist der Rechnungstellung im Vertragsrecht vergleichbar. Nach der verzugsbegründenden Mahnung und einer weiteren Zahlungsaufforderung mit Abgabeandrohung ist der Rahmen der Feststellung und Geltendmachung eines vertraglichen Erfüllungsanspruches, für den kein Schadensersatz verlangt wurde, aber überschritten. Auch wird keine Entschädigung für den eigenen Zeit- und Sachaufwand, sondern die Erstattung der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsdienstleisters begehrt. Dass selbst in dem hier nicht einmal tangierten Rahmen der Feststellung und Geltendmachung eines Schadens eine Entschädigung für den Eigenaufwand des Gläubigers unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommt, hat der BGH im Übrigen ausdrücklich anerkannt,[352] mithin kein...

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