Rz. 137

 

Beispiel:

In Deutschland lebende kroatische Eheleute haben im Jahre 2008 einen Erbvertrag beurkunden lassen. Da das kroatische Erbrecht den Erbvertrag nicht kennt, hat der beurkundende Notar für die in Duisburg belegene Wohnimmobilie – den bedeutendsten Vermögensgegenstand – eine Rechtswahlklausel zum deutschen Recht aufgenommen (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) und die vertragsmäßig bindende gegenseitige Erbeinsetzung hierauf beschränkt.

 

Rz. 138

Da die Eheleute (zum 17.8.2015 bzw. bei Abschluss des Erbvertrages) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, bleibt diese Rechtswahl auch dann wirksam, wenn die Eheleute vor ihrem Tod wieder nach Kroatien zurückkehren sollten. Die – aufgrund der Geltung kroatischen Rechts gem. Art. 21 EuErbVO für den übrigen Nachlass eintretende – Nachlassspaltung ließe eine derartige Begrenzung der Erbeinsetzung, da sie den gesamten, dem deutschen Recht unterliegenden Spaltnachlass erfasste, zu.

 

Rz. 139

Hat der Erblasser aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so unterliegt über Art. 21 EuErbVO künftig die Erbfolge des gesamten Nachlasses dem deutschen Recht. Die auf Art. 25 Abs. 2 EGBGB gestützte Rechtswahl ginge also "ins Leere". Damit wird die Nachlassspaltung, auf die sich die gegenständlich beschränkte Erbeinsetzung stützt, hinfällig. Im Rahmen der Nachlassabwicklung stellt sich dann die Frage, wie mit dieser verunglückten Gestaltung zu verfahren ist.

 

Rz. 140

Denkbar wären z.B. folgende Varianten:

Eine auf das Grundstück bezogene Vermächtniszuwendung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Erbfolge im Übrigen (Vorausvermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten).
Eine quotale Erbeinsetzung der Ehefrau und der Kinder, auf Seiten des überlebenden Ehegatten unter Berücksichtigung der Werte des Grundstücks und der nach kroatischem Erbrecht berechneten Erbquote für den übrigen Nachlass.
Handelt es sich bei der Immobilie um den wesentlichen Wertgegenstand des Vermögens, mag es angemessen sein, eine Alleinerbeinsetzung auf den gesamten Nachlass zu unterstellen. Hierfür mag man die Auslegungsregel in § 2087 BGB heranziehen. Aus der ausdrücklichen Beschränkung auf den inländischen Nachlass ergibt sich m.E. regelmäßig kein Hindernis für eine entsprechende Auslegung, denn diese war nicht dadurch bedingt, dass die Eheleute im Übrigen den Nachlass den Kindern zuwenden wollten, sondern dadurch, dass ihnen erklärt wurde, bzgl. des beweglichen Nachlasses sei eine vertragsmäßige Verfügung nicht möglich.
Die Kontinuität der Nachlassspaltung wäre gesichert, wenn man über Art. 84 Abs. 4, Art. 22 EuErbVO zu einer Wahl des Heimatrechts für den übrigen Nachlass käme. Eine derartige simultane Kumulation von Rechtswahlmöglichkeiten nach neuem und altem Recht erscheint zwar ein wenig gekünstelt. Freilich ist die Verknüpfung von alter und neuer Rechtslage gerade Aufgabe des Art. 84 Abs. 4 EuErbVO. Dogmatische Bedenken gegen die eigenwillige Kombination einer spaltenden Rechtswahl mit dem auf die Nachlasseinheit bedachten Art. 22 EuErbVO verblassen, wenn man den Übergangscharakter der Fälle bedenkt und auf Art. 83 Abs. 2 EuErbVO Rücksicht nimmt, der einer spaltenden Rechtswahl über den Anwendungsstichtag des 17.8.2015 hinaus zur Wirksamkeit verhelfen soll.
 

Rz. 141

 

Praxishinweis:

Jedenfalls ist voraussehbar, dass diese Fälle künftig Probleme bereiten werden. Um Streit über die Auslegung zu vermeiden, sollte daher eine Überprüfung der alten Verfügungen durchgeführt werden und ggf. eine Klarstellung erfolgen.

 

Rz. 142

Im deutschen Recht waren die Rechtswahlmöglichkeiten in Art. 25 Abs. 2 EGBGB auf die Wahl deutschen Rechts beschränkt – und damit deutschen Staatsangehörigen, für die das deutsche Recht ohnehin gilt, grundsätzlich versperrt. Freilich hat sich mit dem Anwendungsstichtag für die EuErbVO insoweit eine Änderung ergeben, als sich die Erbfolge nun bei einem deutschen Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland anhand seines ausländischen Aufenthaltsortes bestimmt, Art. 21 EuErbVO. Eine noch vor dem Anwendungsstichtag getroffene Rechtswahl bleibt aber gem. Art. 83 Abs. 2 EuErbVO weiterhin wirksam, wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des IPR in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß, wirksam ist. Eine noch vor dem 17.8.2015 getroffene, gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB auf ein in Deutschland belegenes Grundstück beschränkte Wahl deutschen Erbrechts durch einen deutschen Erblasser würde also dazu führen, dass dieser nach seinem Tode hinsichtlich seines übrigen Vermögens nach dem ausländischen Aufenthaltsrecht, hinsichtlich der Immobilie aber nach deutschem Recht beerbt werden wird. Auf diese Weise konnte er eine Nachlassspaltung herbeiführen und sich somit z.B. weitere Gestaltungsmöglichkeiten erschließen oder aber Probleme vermeiden, die sich aus der Anwendung ausländischen Rechts im deutschen Grundbuchverfahren ergeben (gesetzlicher Nießbrauch des überlebenden Ehegatten am Nachlass, Vindikationslegate etc.).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge