Rz. 127

Gemäß Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ist eine auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen bezogene Rechtswahl, die vor dem Anwendungsstichtag für die EuErbVO (17.8.2015) getroffen wurde, für eine nach dem Anwendungsstichtag eingetretene Erbfolge nicht nur dann wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der EuErbVO erfüllt (antizipierte Rechtswahl). Sie ist auch dann wirksam, wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist. Das betrifft vor allem die Möglichkeiten, das am gewöhnlichen Aufenthalt geltende Recht zu wählen, wie dies z.B. bis zur Anwendbarkeit der EuErbVO das IPR in Finnland, in den Niederlanden, Tschechien und in Polen zuließ.[109] Eine Rechtswahl genießt also nach dem Anwendungsstichtag weiterhin "Bestandsschutz", wenn sie nach dem IPR eines Staates zulässig war, mit dem der Erblasser durch Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt verbunden war.

 

Rz. 128

Unklar ist dabei, zu welchem Zeitpunkt die Verbindung bestanden haben muss. Der Todeszeitpunkt scheidet hier aus, denn zu diesem Tag galten die durch die EuErbVO ersetzten Rechtswahlmöglichkeiten des nationalen Rechts nicht mehr. Dem Charakter der Übergangsvorschrift würde es am ehesten entsprechen, auf die Umstände bei Inkrafttreten der EuErbVO abzustellen. Was damals wirksam war, soll durch das Inkrafttreten der EuErbVO nicht wieder vernichtet werden. Man könnte auch an den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtswahl denken:

 

Rz. 129

 

Beispiel:

Ein deutscher Ingenieur wird 2002 für einige Jahre zur Tätigkeit in einem Atomkraftwerk in Finnland abgeordnet. Er heiratet dort und errichtet mit seiner Ehefrau ein Testament, in dem beide finnisches Erbrecht wählten. Im Sommer 2014 ist seine Abordnung beendet und er kehrt nach Deutschland zurück. Hier stirbt er im Jahre 2020.

 

Rz. 130

Die Rechtswahl war nach dem finnischen Erbkollisionsrecht zulässig. Der Erblasser hatte im Beispielsfall bei Vornahme auch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland. Später ist die Rechtswahl aber dadurch ineffektiv geworden, dass er Finnland endgültig verließ und wieder in Deutschland lebte. In Deutschland war die Geltung des deutschen Heimatrechts zwingend, so dass die Rechtswahl bis zum 17.8.2015 unbeachtlich war. Hier ist es zweifelhaft, ob ihr mittels rückwirkender Bezugnahme auf den Vornahmezeitpunkt der Rechtswahl quasi wieder zur Auferstehung verholfen werden sollte. Auf Seiten der Ehefrau hingegen war bis zum Anwendungsstichtag durch die finnische Staatsangehörigkeit weiterhin ein Art. 83 Abs. 2 EuErbVO genügender Bezug zum finnischen Kollisionsrecht verwirklicht, so dass hier die kontinuierliche Wirksamkeit gewahrt würde.

[109] Ausführliche Übersicht bei Heinig, RNotZ 2014, 281.

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