Rz. 36

Auch nach Inkrafttreten der letzten großen Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 kann die erbschaft- und schenkungsteuerliche Situation in Deutschland nicht als günstig beschrieben werden. Zwar liegt sie im internationalen Vergleich im Bereich des unteren Mittelfelds.[62] Dennoch kann man am Schweizer Erbschaftsteuerrecht und am Wegfall etwa des österreichischen[63] und portugiesischen[64] Erbschaftsteuerrechts erkennen, dass die Vorteile für den Steuerpflichtigen weitaus umfassender sein könnten.

[62] Plewka/Watrin, ZEV 2002, 253 (257).
[63] Der österreichische Verfassungsgerichtshof hatte am 7.3.2007 die Verfassungswidrigkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ÖErbStG festgestellt und dem Gesetzgeber eine Reparaturfrist bis 31.7.2008 zur Herstellung der Verfassungsmäßigkeit gewährt. Am 22.6.2007 hielt der österreichische Verfassungsgerichtshof ebenfalls die Verfassungswidrigkeit der Schenkungsteuer fest und gewährte ebenso eine Reparaturfrist bis 31.7.2008. In beiden Fällen blieb der Gesetzgeber untätig, so dass Erbschaft- und Schenkungsteuer in Österreich ab 1.8.2008 entfallen sind.
[64] Zum 1.1.2004 per Gesetz Nr. 287/2003 vom 12.11.2003. Siehe hierzu Wachter, ErbStB 2004, 88.

1. Status Quo durch die Erbschaftsteuerreform

 

Rz. 37

Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht knüpft an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder des Begünstigten an, § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2a ErbStG. Auf die Inländereigenschaft des Erwerbers kommt es nur an, wenn sich die unbeschränkte Steuerpflicht nicht bereits aus der Person des Erblassers ergibt. Wenn nur der Erwerber Inländereigenschaft hat, unterliegt nur der Teil des Vermögens der unbeschränkten Steuerpflicht, der auf den Erwerber übergeht. Das auf andere Erwerber übergehende Vermögen wird von der unbeschränkten Steuerpflicht nicht erfasst, wenn weder Erblasser noch Schenker Inländer sind.[65] Auch die unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2a ErbStG endet, wenn der Erblasser zur Zeit des Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Zu beachten ist hierbei, dass die Steuerpflicht sowohl an den Erblasser/Schenker als auch an den Erwerber geknüpft ist. D.h. dass der Wegzug allein des Erblassers/Schenkers noch nicht dazu führt, dass die Erbschaft/Schenkung nicht mehr der deutschen Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegt. Vielmehr muss zu diesem Zweck auch der Begünstigte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt aus Deutschland heraus verlegen.

 

Rz. 38

Dabei ist Vorsicht geboten. Denn für die Verwirklichung der unbeschränkten Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht reicht es bereits aus, dass ein Schenker oder Beschenkter einen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO im Inland innehat. Es ist nicht entscheidend, ob dies der Erstwohnsitz, ein Nebenwohnsitz oder eine eigene, regelmäßig genutzte Ferienwohnung ist. Ein Wohnsitz des Erblassers im Inland führt dazu, dass im Erbfall das Weltvermögen der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Analog unterliegen empfangene und getätigte Schenkungen der deutschen Schenkungsteuer. Es kommt hinzu, dass nur wenige DBA auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer bestehen und nationale Vorschriften zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen diese nicht immer vollständig beseitigen können. Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen können daher sehr schwerwiegend sein, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht nicht erkannt wird.

 

Rz. 39

Daneben existieren noch eine erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht, eine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht sowie eine erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, die nachfolgend beleuchtet werden (siehe Rdn 133 ff.).

 

Rz. 40

Von besonderer Bedeutung im internationalen Kontext ist die Meldepflicht nach § 33 ErbStG. Der BFH hat ausdrücklich festgehalten, dass ein inländischer Vermögensverwahrer oder -verwalter, bspw. ein Kreditinstitut, nach dieser Vorschrift auch verpflichtet ist, Vermögensgegenstände anzuzeigen, die von einer Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden.[66]

[65] Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rn 4.

2. EuGH-Rechtsprechung

a) EuGH, Urt. v. 21.12.2021 – C-394/20

aa) Sachverhalt

 

Rz. 41

Der deutsche Gesetzgeber hat als Reaktion auf das Urteil des EuGH v. 8.6.2016 in der Rechtssache C-479/14 (Hünnebeck) im Zuge des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes (StUmgBG) in § 16 Abs. 2 ErbStG (beschränkte Erbschaftsteuerpflicht) eine Neuregelung aufgenommen, wonach für Erwerbe, für welche die Steuer nach dem 24.6.2017 entsteht (vgl. § 37 Abs. 14 ErbStG), der persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG zu verringern ist.

Im zur Entscheidung vorliegenden Fall hatten weder der Erblasser noch die Alleinerbin einen Wohnsitz in Deutschland (sondern in Österreich). Der Erbfall fand im Jahr 2018 statt. Die Alleinerbin hatte zwei Pflichtteilsansprüche zu erfüllen, deren Abzug als Nachlassverbindlichkeiten das Finanzamt verwehrte.

bb) Vorlagefragen

 

Rz. 42

Als Erstes wei...

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