1. Einführung

 

Rz. 1

Neben der progressiv ansteigenden Einkommensteuer mit den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 S. 1 EStG erhebt der Fiskus in Deutschland weiterhin, aber wenigstens sehr stark eingeschränkt, den Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 %. Jede natürliche Person ist mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Einkünften nach dem sog. Welteinkommensprinzip unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 EStG, falls sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (§§ 8, 9 AO) hat. Daneben besteht eine sog. beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG, der natürliche Personen unterliegen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, jedoch inländische Einkünfte i.S.v. § 49 EStG (etwa gewerbliche Einkünfte, für die eine Betriebsstätte in Deutschland unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist, oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem in Deutschland belegenen Grundstück) haben. Gewerbliche Einkünfte werden zudem mit der Gewerbesteuer belastet.

 

Rz. 2

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer zum 1.1.2009 durchbrach der deutsche Gesetzgeber die Systematik eines einheitlichen persönlichen Steuersatzes und schuf für die Einkunftsart der Kapitaleinkünfte zum Teil einen speziellen Steuersatz. Dabei ist die Gleichstellung mit der österreichischen Abgeltungssteuer (§§ 93 ff. ÖstEStG) nicht vollständig gerechtfertigt. Zwar beläuft sich der Steuersatz bei beiden Abgeltungssteuern auf 25 %, jedoch kommen bei der deutschen Variante noch Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer dazu. Daneben wird zum anderen in Deutschland ab 1.1.2009 die Veräußerung von Wertpapieren ebenfalls generell von der Abgeltungssteuer erfasst, wogegen es in Österreich bei der Spekulationsbesteuerung bleibt, womit Verkäufe von Wertpapieren nach über einjähriger Haltefrist steuerfrei sind.

2. Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt

 

Rz. 3

Natürliche Personen sind in Deutschland nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sobald sie in Deutschland weder Wohnsitz (§ 8 AO) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben. Die Finanzrechtsprechung stellt jedoch nur geringe Anforderungen an die Erfüllung der beiden Begriffe, so dass ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im steuerlichen Sinne sehr schnell errichtet ist. Insbesondere bei starker Bindung an Deutschland, sei es aus unternehmerischen oder familiären Gründen, droht die Gefahr eines gescheiterten Wohnsitzwechsels mit ggf. für den Steuerpflichtigen sehr nachteiligen Folgen.

 

Rz. 4

Nach Auffassung des BFH liegt bereits ein Wohnsitz vor, wenn der Steuerpflichtige ein möbliertes Zimmer zur Benutzung bereithält, in dem sich persönliche Gegenstände befinden.[1] Der wegzugswillige Steuerpflichtige ist daher gehalten, die selbst genutzte Immobilie zu verkaufen oder sehr langfristig zu vermieten, um einen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland zu vermeiden. Hierbei reicht die Vermietung an volljährige Familienangehörige zwar grundsätzlich aus, solange sie nicht nur zum Schein erfolgt.[2] Jedoch muss die Vermietung von langer Dauer sein. So reichten nach Ansicht des FG Hamburg 10 Monate Vermietungsdauer nicht aus, um eine Aufgabe des Wohnsitzes anzunehmen.[3] Demgegenüber hat der BFH bei einer Vermietungsdauer von 27 Monaten die Aufgabe des Wohnsitzes bejaht.[4] Nicht erforderlich ist, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland liegt.[5]

 

Rz. 5

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2018[6] festgehalten, dass die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland unabhängig davon verwirklicht sein kann, ob Tätigkeiten im In- oder Ausland ausgeübt werden. Selbst ein Lebensmittelpunkt im Ausland schließe die Annahme eines Wohnsitzes und damit eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland nicht aus.

Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass diese zum Wohnen geeignet sei, wobei auch eine bescheidene Bleibe ausreiche. Dabei ist es für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet.[7] Nach ständiger Rechtsprechung müsse die Wohnung dem Steuerpflichtigen objektiv jederzeit, immer wenn er dies wünsche, als Bleibe zur Verfügung stehen und subjektiv von ihm zu einem jederzeitigen Wohnaufenthalt bestimmt sein.

 

Rz. 6

Damit kann nach § 8 AO ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mehrere Wohnsitze im In- und/oder Ausland innehaben. Weder das Einkommensteuerrecht noch Grundsätze des internationalen Steuerrechts geben nach Ansicht des BFH Anhaltspunkte für Differenzierungen, nach denen etwa nur der Wohnsitz, der als Lebensmittelpunkt genutzt wird, zur Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht führen könnte.[8] Kennzeichnend für eine Wohnung ist, dass es sich – i.S. einer bescheidenen Bleibe – um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind. Die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland sei von der Frage der ...

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