Rz. 295

Kann kein Versorgungsausgleich erfolgen, weil entweder ausländisches Recht anwendbar wäre oder die Heimatrechtsklausel aber seine Durchführung wieder ausschließt, so kann dennoch der Versorgungsausgleich gem. Art. 17 Abs. 4 S. 2 EGBGB ausnahmsweise erfolgen, wenn drei Voraussetzungen nebeneinander (kumulativ) erfüllt sind:

1. Einer der Ehegatten stellt einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs – wobei er diesen nicht unbedingt im Scheidungsverbund stellen muss, sondern auch später noch in einem isolierten Verfahren geltend machen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Scheidung durch ein deutsches Gericht (nach ausländischem Recht) vorgenommen worden ist.[378]
2. Der Antragsgegner hat während der Dauer der Ehe im Inland eine Versorgungsanwartschaft erworben (die alternative Bedingung, dass während der Ehe wenigstens zu einem Zeitpunkt deutsches Recht oder ein anderes Recht, das den Versorgungsausgleich kennt, allgemeines Ehewirkungsstatut war, wurde mit Wirkung zum 21.6.2012 gestrichen).
3. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht ist im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eheleute auch während einer im Ausland verbrachten Zeit nicht unbillig.
 

Rz. 296

Dabei liegt ein Fall, dass "ein Versorgungsausgleich nicht erfolgt", noch nicht vor, wenn das Statut des Versorgungsausgleichs den Versorgungsausgleich im konkreten Fall geringer ausfallen lässt, weil es bei der Berechnung abweicht. Eine "Aufbesserung" durch das deutsche Recht kommt hier also nicht in Betracht. Freilich muss das ausländische Recht den Anforderungen genügen, die schon im Rahmen der Heimatrechtsklausel (siehe Rdn 291) aufgestellt wurden (und praktisch in Europa gegenwärtig nur von der Schweiz und England erfüllt werden). Bei der dritten Voraussetzung ist insbesondere zu berücksichtigen, wie sich die Teilung der in Deutschland begründeten ausgleichsfähigen Versorgungsanwartschaften mit ggf. anderen, im Ausland begründeten Anwartschaften verhält. Insbesondere soll vermieden werden, dass ein Ehegatte, der allein inländische Anwartschaften erworben hat, diese teilen muss, während der andere Ehegatte seine ausländischen Anwartschaften gänzlich behalten kann.[379]

[378] OLG Hamburg FamRZ 2000, 842; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1210; OLG München FamRZ 2000, 165.
[379] Vgl. bereits BT-Drucks 10/5632, S. 42; OLG Koblenz FamRZ 1998, 1599.

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