Rz. 274

Gemäß Art. 8 Rom III-VO ist mangels einer wirksamen Rechtswahl der Ehegatten das auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht nach einer Anknüpfungsleiter anzuknüpfen. Die Anknüpfungstechnik entspricht Art. 14 EGBGB, wobei allerdings nicht mehr die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, sondern der gewöhnliche Aufenthalt das vorrangige Anknüpfungskriterium darstellt (sog. Sprossentausch). Es gilt danach folgende Rangfolge:

das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ersatzweise
das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ersatzweise
das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, und schließlich als letzter Nothelfer
die lex fori (das Recht des Staates des angerufenen Gerichts).
 

Rz. 275

Es handelt sich hierbei um Sachnormverweisungen. Rück- und Weiterverweisungen durch das IPR des berufenen ausländischen Rechts bleiben gem. Art. 11 Rom III-VO unbeachtet.

 

Rz. 276

Hinweis: Der Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip auf die Geltung des Aufenthaltsrechts wird in der gerichtlichen Praxis – auch wenn die Beachtung des Renvoi ausgeschlossen ist – dazu führen, dass erheblich seltener als bisher ausländisches Recht anzuwenden ist.

 

Rz. 277

Soll dagegen die Ehe wegen anfänglicher materieller oder formeller Fehler bei der Eheschließungangefochten oder für nichtig erklärt werden, so gilt nicht das Scheidungsstatut. Die Folgen eines Mangels bei der Eheschließung ergeben sich aus dem Recht, nach dem der Fehler vorliegt (also das "ärgere" der gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB bestimmten Rechte für die materiellen Voraussetzungen und Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB bzw. das günstigere der gem. Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB bestimmten Rechte für die formellen Voraussetzungen; siehe Rdn 138, 140).

 

Rz. 278

Die Auflösung einer gleichgeschlechtlichen Ehe ist nach mittlerweile wohl überwiegender Ansicht auch als Scheidung einer "Ehe" i.S.d. Rom III-VO anzusehen. Es gilt daher das nach den Regeln der Rom III-VO bestimmte Recht.

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