Rz. 245

Auch wenn im deutschen internationalen Güterrecht der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstatuts gilt, ist für eine Reihe von Fällen ein güterrechtlicher Statutenwechsel anerkannt:

Treffen die Eheleute nach der Eheschließung ehevertraglich eine Rechtswahl gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB, gilt mit Wirkung ex nunc das gewählte Recht (siehe Rdn 213).
Für im gesetzlichen Güterstand ihres Herkunftsstaates lebende volksdeutsche Vertriebene und Aussiedler tritt drei Monate nach Übersiedlung nach Deutschland ein Wechsel zur Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts ein (siehe Rdn 224).[328]
Schließlich kann die Rück- bzw. Weiterverweisung durch das aus deutscher Sicht anwendbare ausländische Recht zu einem Statutenwechsel führen, wenn dieses das Güterstatut wandelbar anknüpft (siehe Rdn 208).[329]
Art. 220 Abs. 3 S. 2 EGBGB führt nach h.M. zu einem besonderen Statutenwechsel, da nach h.M. das neu bestimmte Recht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung anzuwenden ist (siehe Rdn 222).[330]
 

Rz. 246

Kommen die Eheleute aus der Gütertrennung in die Zugewinngemeinschaft, so ergibt sich bei der Ermittlung des Zugewinns der Tag des Statutenwechsels als Stichtag für die Berechnung des Werts des Anfangsvermögens.

 

Rz. 247

Kommen dagegen die Eheleute aus der Güter- oder Errungenschaftsgemeinschaft, so sind die Rechtsfolgen ungeklärt. Mangels Rückwirkung des Statutenwechsels ist das bisherige gemeinschaftliche Vermögen der Eheleute als gemeinsames Vermögen fortzuführen. Es unterliegt – da der Wechsel des Güterstatuts das gesamte Vermögen der Eheleute umfasst – aber nicht mehr dem alten, sondern dem neuen Güterstatut.[331] Die sich ggf. aus der Beendigung des bisherigen Güterstands durch den Statutenwechsel nach dem alten Recht ergebenden Ansprüche auf Ausgleich bzw. Auseinandersetzung gehen als Anfangsvermögen in den Güterstand nach dem neuen Güterstatut ein.[332] Aufgrund der Beendigung des alten Güterrechtsregimes endet auch eine ggf. bislang bestehende Gesamthand, das Eigentumsverhältnis zerfällt zu Bruchteilseigentum. Nach der Gegenansicht ist auf die Abwicklung des alten Güterstands das vormals geltende Güterstatut weiterhin anwendbar.

 

Rz. 248

Bei einem Statutenwechsel durch Rechtswahl ist es erforderlich, dass die Eheleute vertraglich ausdrücklich auch das Verhältnis der beiden Güterstände zueinander regeln. Ist keine sofortige Abfindung gewollt, kann z.B. ein Abfindungsanspruch festgelegt und für den Fall der Scheidung gestundet werden. Alternativ kann eine schuldrechtliche Rückwirkung neuen Güterstands vereinbart werden – so dass z.B. zur Berechnung eines Zugewinnausgleichs auf die Umstände nicht zum Zeitpunkt der Rechtswahl, sondern bei Eheschließung abzustellen wäre.[333] Aus Art. 22 Abs. 2 und 3 EUGüVO ergibt sich nun, dass auch eine rückwirkende Rechtswahl möglich ist. In diesem Fall ist zumindest im Innenverhältnis der Eheleute eine Abwicklung während der Dauer der Ehe nicht erforderlich.

[328] Art. 15 Abs. 4 EGBGB, Art. 1 des Gesetzes über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen vom 4.8.1969; Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Anh. Art. 15 EGBGB Rn 2; Firsching, FamRZ 1970, 134. Umstritten ist die Anwendung auf Spätaussiedler, wobei aber die überwiegende Ansicht dieses Gesetz zumindest entsprechend anwendet, so z.B.: Erman/Hohloch, 15. Aufl. 2017, Art. 15 EGBGB Rn 51b; Looschelders, IPR – Art. 3–46 EGBGB, 1. Aufl. 2004, Art. 15 EGBGB Rn 43; Ludwig, in: jurisPraxiskommentar-BGB, 5. Auf. 2010, Art. 15 EGBGB Rn 153; Staudinger/Mankowski, 2010, Art. 15 EGBGB Rn 440; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Mörsdorf-Schulte, 4. Aufl. 2020, Art. 15 EGBGB Rn 77; Scheugenpflug, MittRhNotK 1999, 377; Schotten/Schmellenkamp, Das IPR in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Rn 143a; NK-BGB/Sieghörtner, 3. Aufl. 2016, Anh. II zu Art. 15 EGBGB Rn 10; Wandel, BWNotZ 1994, 87; a.A. Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Anh. Art. 15 EGBGB Rn 2.
[329] Siehe z.B. Schotten/Schmellenkamp, Das IPR in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Rn 144 m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt IPRax 2001, 40 m. Anm. Henrich, IPRax 2001, 113 zu dem Sonderfall einer zunächst rein jugoslawischen Ehe, die durch den Zerfall der Jugoslawischen Föderation nachträglich zu einer gemischt-nationalen slowenisch-kroatischen Ehe wurde.
[330] BGH NJW 1988, 639; BGHZ 119, 399; Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 15 EGBGB Rn 13; MüKo-BGB/Looschelders, 8. Aufl. 2020, Art. 15 EGBGB Rn 160. Ablehnend (also für einen Statutenwechsel mit dem 9.4.1983): Staudinger/Dörner, Art. 220 EGBGB Rn 136; NK-BGB/Sieghörtner, 3. Aufl. 2016, Anh. III zu Art. 15 EGBGB Rn 34.
[331] Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2000, S. 101.
[332] v. Bar, Internationales Privatrecht II, 1. Aufl. 1991, Rn 220 Schotten/Schmellenkamp, Das IPR in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Rn 173a.
[333] Bei einem Wechsel in die Zugewinngemeinschaft würde sich dieses Ergebnis ohnehin zumeist über die gesetzlichen Vermutungsregeln in § 1377 Abs. 3 BGB ergeben.

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