Rz. 165

Die für die Praxis wichtigsten Rechtsfolgen der Ehe unterliegen nicht Art. 14 EGBGB, sondern speziellen Kollisionsnormen, die dieser Norm vorgehen. Dies gilt z.B. für den Ehenamen (Art. 10 Abs. 1 und 2 EGBGB), den Güterstand (EUGüVO und Art. 15 EGBGB – sowie EUPartVO), den ehelichen Unterhalt (Art. 3 HUntProt) und den Versorgungsausgleich. Die besondere Bedeutung von Art. 14 EGBGB lag seit dem 1.9.1986 nicht in seinem eigenen, sehr beschränkten Regelungsbereich, sondern darin, dass er weiterhin ein allgemeines "Familienstatut" begründet und eine Grundnorm des familienrechtlichen Kollisionsrechts darstellt, auf die die anderen eherechtlichen Kollisionsnormen, wie für das Güterrecht (Art. 15 EGBGB), die Ehescheidung (Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F.) und den Versorgungsausgleich (Art. 17 Abs. 3 EGBGB a.F. mit Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F.), sowie einige kindschaftsrechtliche Kollisionsnormen, wie für die Abstammung (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB) und die Adoption (Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB a.F.), Bezug nahmen. Freilich haben spätere Änderungen des EGBGB und die Verlagerung der Kollisionsnormen in die Gesetzgebungsakte des Europäischen Rates diesen Zusammenhang aufgehoben.

 

Rz. 166

Im Anknüpfungsgegenstand von Art. 14 EGBGB verbleiben damit insbesondere folgende Rechtsfragen:

Zunächst sind dem allgemeinen Ehewirkungsstatut die Regeln über die eheliche Lebensgemeinschaft zu entnehmen. Dies betrifft die Pflicht zum gemeinsamen Zusammenleben bzw. das Recht zum Getrenntleben und ihre einzelnen Inhalte, auch die Pflicht zur Beiwohnung sowie das Recht des Ehemannes, den Wohnsitz der Ehefrau zu bestimmen.[219] Ob ein sich hieraus ergebender Anspruch auf eheliche Gemeinschaft etc. eingeklagt und anschließend auch vollstreckt werden kann, beurteilt sich dann freilich zusätzlich als prozessual zu qualifizierende Frage nach der jeweiligen lex fori – bei Klage bzw. Vollstreckungsantrag in Deutschland also nach dem deutschen Zivilprozessrecht.[220]
Auch die gegenseitige Vertretungsbefugnis bzw. Verpflichtungsermächtigung der Ehegatten (Schlüsselgewalt) ist allgemeine Ehewirkung i.S.v. Art. 14 EGBGB.[221]
Ehebedingte Beschränkungen der Vertragsfreiheit, insbesondere bei der Eingehung von schuldrechtlichen Verpflichtungen, können ebenfalls erfasst werden. So verlangt Art. 494 des schweizerischen Obligationenrechts für die Bürgschaft einer verheirateten Person die Zustimmung des Ehegatten. Ähnliches ergibt sich aus Art. 1:88 des niederländischen BW. Zwar hatte der BGH einmal angenommen, diese Vorschrift sei schuldvertraglich zu qualifizieren.[222] Freilich wird diese Ansicht in der Literatur einhellig abgelehnt.[223] Gleichartige Beschränkungen gibt es für Schenkungen durch einen Ehegatten (Art. 224 § 1 Ziff. 3 belg. CC) und Abzahlungsgeschäfte. Nunmehr ist wohl davon auszugehen, dass diese Beschränkungen in den sachlichen Anwendungsbereich der EUGüVO fallen.
Ehebedingte Verfügungsbeschränkungen können allgemeine Ehewirkungen darstellen. Hier ist die Abgrenzung zu den güterrechtlichen Wirkungen nicht einfach. Fest steht, dass z.B. die Beschränkungen bei der Verfügung über der Familienwohnung dienende Immobilien, wie sie z.B. im türkischen und im Schweizer Recht bestehen, als allgemeine Ehewirkungen zu qualifizieren sind. Zumeist wird dies entsprechend auf den Mietvertrag für die Miete der ehelichen Wohnung erstreckt. Hier ergibt sich die Qualität als allgemeine Ehewirkung daraus, dass die Beschränkung unabhängig davon ist, in welchem Güterstand die Eheleute leben.[224] Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Verfügung über Grundstücke oder ein Handelsgeschäft des Ehegatten, wenn diese unabhängig vom Güterstand der Eheleute gelten.[225]
Wird aufgrund der Eheschließung der Eintritt der Geschäftsfähigkeit vorverlegt ("Heirat macht mündig"), so handelt es sich zwar um eine allgemeine Folge der Ehe. Kollisionsrechtlich wird diese Folge aber nicht eherechtlich qualifiziert, sondern ist gem. Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach dem allgemeinen Geschäftsfähigkeitsstatut (Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB), also – vorbehaltlich von Rück- und Weiterverweisungen – nach dem Heimatrecht des minderjährigen Ehegatten zu beurteilen.[226]
Das – im Wesentlichen wohl nur noch im portugiesischen Recht bestehende – Verbot der Ehegattengesellschaft soll nach allgemeiner Ansicht ehegüterrechtlichen Charakter haben, da es verhindern soll, dass der Güterstand durch andere Vermögensordnungen unterlaufen wird, und unterfällt damit Art. 15 EGBGB.[227]
Beschränkungen für Verträge zwischen Eheleuten existieren in verschiedenen Rechtsordnungen. So wurde das Verbot von Schenkungen und Kaufverträgen zwischen Eheleuten untereinander, einschließlich eines ggf. bestehenden gesetzlichen Rechts zum jederzeitigen Widerruf, zumeist als allgemeine Ehewirkung qualifiziert.[228] Auch dies wird man aber mittlerweile zum Anwendungsbereich der EUGüVO zählen können.[229]
Auch gesetzliche Sicherungsrechte dinglicher Art eines Ehegatten am unbeweglichen Vermögen des andere...

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