Rz. 91

Die Möglichkeit der Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Rechtswahl (Parteiautonomie) findet sich insbesondere in solchen Verhältnissen, in denen es um vertragliche Rechtsverhältnisse geht. Dies betrifft schon traditionell das Schuldvertragsrecht (Art. 3 Rom I-VO). Seit der IPR-Reform 1986 gilt dies aber auch in eingeschränktem Maße bei den Allgemeinen Ehewirkungen (Art. 14 Abs. 1 EGBGB), im Ehegüterrecht (Art. 15 Abs. 2 EGBGB sowie Art. 22 EUGüVO und Art. 22 EUPartVO) und im Namensrecht (Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB). Darüber hinaus sind die Möglichkeit der Parteiautonomie im Familienrecht durch die einschlägigen EU-Verordnungen ausgeweitet worden, wie z.B. im Scheidungs- und Unterhaltsrecht[130] sowie im Erbrecht.[131] Der Gedanke, dass der Erblasser durch eine Rechtswahl einseitig zwingende gesetzliche Rechtspositionen Dritter ausschalten kann, hat allerdings bislang die meisten Staaten davon abgehalten, im Erbrecht wie auch in anderen Rechtsgebieten eine Rechtswahl anzuerkennen.[132]

 

Rz. 92

Anders als im Schuldvertragsrecht ist im Erb- und Familienrecht die Rechtswahl in der Weise beschränkt, dass nur solche Rechtsordnungen gewählt werden können, die eine bestimmte Beziehung zum Sachverhalt haben.

 

Rz. 93

Die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl ist regelmäßig nach dem gewählten Recht zu beurteilen (z.B. Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO, Art. 22 Abs. 3 EuErbVO). Selbstverständlich betrifft dies nicht die Frage, ob die Rechtswahl überhaupt zulässig ist. Auch die erforderliche Form ist häufig im EGBGB ausdrücklich bestimmt (z.B. Art. 14 Abs. 4 EGBGB, Art. 23 EUGüVO und EUPartVO).

 

Rz. 94

Da die Rechtswahl auf familienrechtlichem Gebiet – abgesehen vom Ehegüterrecht – im internationalen Vergleich erst seit Kurzem gesetzlich anerkannt wird, ergibt sich aus ihr die besondere Gefahr, dass eine auf der Rechtswahl basierende Rechtsfolge nur in Deutschland bzw. der an dem jeweiligen europäischen Rechtsakt teilnehmenden Mitgliedstaaten anerkannt wird, nicht aber ein einem Staat, mit dem die Eheleute eng verbunden sind (sog. international hinkende Rechtswahl). Die besondere Kunst des Kautelarjuristen liegt daher darin, von ihr zurückhaltend Gebrauch zu machen und sie in erster Linie dazu einzusetzen, ein in allen Staaten, in denen eine gerichtliche Zuständigkeit gegeben wäre, übereinstimmendes kollisionsrechtliches Ergebnis herbeizuführen, um über die Rechtswahl zu einem internationalen Entscheidungseinklang zu gelangen.

[130] Siehe Art. 7, 8 HUntProt und Art. 5 Rom III-VO.
[131] Vgl. Art. 22, 24 und 25 EuErbVO.
[132] Die Haager Erbrechtskonvention ist beispielsweise – nicht zuletzt auch aus diesem Grunde – bislang ausschließlich von den Niederlanden und Argentinien gezeichnet worden.

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