Rz. 23

Die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens erfolgt analog zum Genesungsverlauf. Meistens ist er in Schadensnähe höher als zu dem Zeitpunkt, zu dem die medizinische Wiederherstellung abgeschlossen ist. Die medizinische Wiederherstellung ist nicht gleichbedeutend mit der vollständigen Wiederherstellung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit vor dem Schadensereignis. Das ist bei schweren und schwersten Personenschäden eher selten der Fall. Der Begriff der medizinischen Wiederherstellung meint vielmehr, dass weitere medizinische Verbesserungen nicht mehr zu erwarten sind und der Geschädigte mit den verbliebenen Einschränkungen leben und seinen Haushalt verrichten muss. Er bedeutet eigentlich nur das Ende der ärztlichen Bemühungen. Dieser Zeitpunkt ist der Beginn der Dauer-MdH. Verbesserungen und Verschlechterungen des medizinischen Status machen die Neuberechnung der Dauer-MdH erforderlich, was jedoch oft erst nach einem mehrmonatigen oder gar mehrjährigen Zeitraum relevant ist. Allerdings beeinflussen Veränderungen im persönlichen Lebensbereich die Höhe des Haushaltsführungsschadens ebenso. So führt neben der Eheschließung mit Gründung eines gemeinsamen Haushaltes die Geburt eines oder mehrerer Kinder bei gleichbleibend (schlechtem) Gesundheitsstatus ebenso zur Neuberechnung des Anspruchs wie umgekehrt die Verkleinerung des Haushaltes durch Ehescheidung oder das Verlassen des elterlichen Haushaltes in Ausbildung befindlicher oder bereits ausgebildeter Kinder.

Sowohl die gesundheitliche Entwicklung nach dem Schadensereignis als auch die persönliche Entwicklung innerhalb des familiären Umfeldes liefern Parameter, die in der Berechnung des Haushaltsführungsschadens zwingend abgebildet werden müssen.

 

Rz. 24

Aus diesem Grunde hat es sich bewährt, den Haushaltsführungsschaden in einzelnen Zeitfenstern zu ermitteln und diese Teilergebnisse sodann zu addieren.

Das erste Zeitfenster stellen die stationären Aufenthalte dar. Davon betroffen sind ebenso Klinikaufenthalte wie stationäre Rehamaßnahmen. Diesem Zeitfenster ist inhärent, dass der Geschädigte hinsichtlich seiner Eigenversorgung im Haushalt keiner Hilfe bedarf, da er bei stationärer Unterbringung vollumfänglich hauswirtschaftlich versorgt wird. Schadensersatzrechtlich relevant sind die Anteile im 1-Personenhaushalt, die trotz Abwesenheit nicht erspart werden (z.B. Blumen gießen, Postkasten entleeren, im Winter heizen und Schnee räumen, ggf. Treppenhausreinigung und Straßendienst, Lüften, Schriftverkehr mit Versicherungen und sonstigen Dritten; ggf. ist die Wäsche des Geschädigten daheim zu waschen). Im Mehrpersonenhaushalt sind ebenso die Fremdversorgungsanteile in der "Restfamilie" schadensersatzrechtlich relevant, die durch die Abwesenheit des Geschädigten vereitelt werden (Erwerbsschadensanteil beim Haushaltsführungsschaden).

In diesem Zeitfenster werden sämtliche schadensbedingt angefallene stationären Zeiten aufaddiert, egal wann sie gewesen sind.

Im zweiten Zeitfenster werden alle Zeiten erfasst, in denen der Geschädigte nicht stationär aufgenommen wurde, weil er in der Häuslichkeit auf eine stationäre Rehamaßnahme gewartet oder ambulante Therapien wahrgenommen hat. Dieses zweite Zeitfenster endet in dem Moment, in dem die medizinische Wiederherstellung abgeschlossen ist. Im Zeitraum des zweiten Zeitfensters finden sich unterschiedliche Genesungsqualitäten. Aus pragmatischen Gründen spricht nichts dagegen, diese Zeiten zusammenzufassen und sie einer einheitlichen Schadensschätzung zuzuführen, wenn ein weitgehend homogenes Schadensbild besteht.

Manchmal sind Geschädigte im zweiten Zeitfenster zunächst auf den Rollstuhl zur Fortbewegung angewiesen (obwohl sie nicht querschnittsgelähmt sind). Nach einiger Zeit der medizinischen Verbesserung können sie sich auf Unterarmgehstützen fortbewegen oder benötigen nur noch einseitig eine Gehhilfe, die sie nach einigen Wochen auch ablegen können. Daher können manchmal Zäsuren erforderlich werden und weitere Zeitfenster definiert werden.

Schließlich beginnt das letzte (zumeist dritte) Zeitfenster ab Eintritt der Dauer-MdH, die wiederum daran geknüpft ist, dass weitere medizinische Verbesserungen nicht oder nur noch marginal möglich sind.

 

Rz. 25

Innerhalb jedes Zeitfensters wird anhand des Fragebogens bzw. im Abgleich mit Tabelle 1 der Zeitaufwand ermittelt, den die verletzte Person vor dem Schadensereignis im Haushalt geleistet hat. In Haushalten mit Kindern werden Kinderbetreuungszeiten ggf. nach Tabelle 4 – soweit keine Angaben aus dem betroffenen Haushalt möglich sind – den Werten aus Tabelle 1 bzw. der individuellen Aufschreibung hinzugerechnet.

Dann wird der Einschränkungsanteil in Prozent entweder unter Zuhilfenahme der Tabelle 5 ermittelt oder er lässt sich aus Tabelle 6 ablesen. Die weitere Berechnung erfolgt, indem vom Zeitaufwand in Stunden der Prozentanteil, der nicht mehr geleistet werden kann, ermittelt wird. An dieser Stelle sei auf die Musterfälle 1 – 3 in Teil 3 (§ 12 Rdn 2–25) verwiesen.

Bis a...

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