Rz. 573

 

Rz. 574

KG[541]

Der Lkw (3) verliert einen Reifen seines Anhängers. Der nachfolgende Pkw (2) kann noch ausweichen. Pkw (1) fährt, eine Geschwindigkeit von 160 km/h einhaltend, auf das Hindernis auf. Der Fahrer des Lkw (3) haftet zu 100 % für den entstandenen Schaden. Der nachfolgende Fahrer des Pkw (1) ist bei Tag bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h nicht verpflichtet, den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug (2) so zu wählen, dass er noch vor einem durch den Vorausfahrenden zunächst verdeckten Reifen anhalten kann, wenn dieser unmittelbar vor dem Hindernis den Fahrstreifen wechselt, ohne dabei abzubremsen.

 

Rz. 575

BGH[542]

Auf Autobahnen muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Kfz (3) gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StVO in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem angehalten werden kann, wenn es plötzlich abgebremst wird. Mit einem "ruckartigen" Stehenbleiben ist jedoch nicht zu rechnen. Vielmehr kann der nachfolgende Fahrer (1), wenn keine besonderen Umstände dem entgegenstehen, den vollen Weg einer Notbremsung des Vorausfahrenden (3) bei der Bemessung seines Abstands mit einkalkulieren. Wechselt das vorausfahrende Fahrzeug (3) wegen eines Hindernisses (2) ohne zu bremsen die Fahrspur, so muss sich der Fahrer (1) nicht darauf einstellen. Kommt es zu einem Unfall, haftet er nicht.

 

Rz. 576

OLG Brandenburg[543]

Lenkt der Betroffene sein defektes Fahrzeug nicht auf einen an der Mittelleitplanke befindlichen Grünstreifen, obwohl ihm dies nach den konkreten Umständen möglich gewesen wäre, und schaltet er zusätzlich die Warnleuchten nicht ein, trifft ihn an einer folgenden Kollision ein Mitverschulden von 60 %. Schließlich spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die unzureichende Absicherung des Fahrzeuges für den Unfall kausal geworden ist. Auf Seiten des Klägers ist ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot zu berücksichtigen.

 

Rz. 577

KG[544]

Im Tunnel einer Stadtautobahn ist der nachfolgende Kraftfahrer (1) nicht verpflichtet, generell einen solchen Abstand zu halten, dass er rechtzeitig vor einem durch das vorausfahrende Fahrzeug (2) verdeckten Hindernis (3) anhalten kann. Dies gilt vor allem dann, wenn der Vorausfahrende dieses Hindernis, ohne zu bremsen umfährt. Den Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs (1) trifft kein Verschulden. Bei der Abwägung der Betriebsgefahren der am Unfall beteiligten Fahrzeuge kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Halter des Fahrzeugs (3) zu 100 % haftet.

 

Rz. 578

OLG Hamm[545]

Allein der Umstand, dass ein Fahrzeugführer (1) bei Dunkelheit auf einen gut erkennbaren, wegen eines Vorunfalls auf einem kombinierten Auf-/Abfahrtstreifen einer Bundesautobahn stehenden Pkw auffährt, begründet nicht schon den Vorwurf eines grob fahrlässigen Fahrfehlers. Dieser wäre jedoch erforderlich, um die einfache Betriebsgefahr des Pkw (3) vollständig zurücktreten zu lassen. Die Fahrerin (1) ist nicht sehenden Auges auf das von ihr erkannte Hindernis – Fahrzeug (2) – zugefahren, sondern hat sich vielmehr bemüht, dieses Hindernis durch Einfädeln auf die Normalspur der Autobahn zu umfahren. Hierfür, also für das Einfädeln in den fließenden Verkehr, musste Fahrerin (2) auch zunächst eine entsprechende Geschwindigkeit beibehalten.

 

Rz. 579

OLG Hamm[546]

Der Halter eines Lkw (3) haftet zu 100 %, wenn der Fahrer nachts auf der Autobahn einen Ersatzreifen verliert und der nachfolgende Pkw (1) nicht mehr ausweichen kann.

 

Rz. 580

OLG Saarbrücken[547]

§ 4 Abs. 3 StVO schreibt einen Sicherheitsabstand und nicht einen Einscherabstand vor. Motiv des Gesetzgebers war die Festschreibung eines besonderen Sicherheitsabstandes für bestimmte Fahrzeugarten auf Autobahnen.

 

Rz. 581

OLG Frankfurt a.M.[548]

Löst sich ein Reifen vom Anhänger eines Lkw (3) nachts auf der Autobahn, so haftet dessen Fahrzeughalter zu 80 %. Dies gilt vor allem dann, wenn der auffahrende Pkw (1) mit erheblicher Geschwindigkeit unterwegs war. Der Unfall stellt unter diesen Umständen für den Fahrer (1) kein unabwendbares Ereignis dar.

 

Rz. 582

OLG Nürnberg[549]

Es bleibt offen, ob bei unterlassenen Sicherungsmaßnahmen nach § 15 StVO ein Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der unterlassenen Maßnahmen auch dann gilt, wenn sich das liegengebliebene Fahrzeug vollständig auf dem Standstreifen befindet. Wenn das andere unfallbeteiligte Fahrzeug ohne erkennbaren Grund in einer Breite von ca. 0,7–0,95 m den Standstreifen befährt, ist der Anscheinsbeweis jedenfalls erschüttert. Unter diesen Umständen tritt die Haftung des Fahrers des liegengebliebenen Fahrzeugs vollständig zurück.

 

Rz. 583

LG Berlin[550]

Die Teilüberdeckung von Front und Heck der bei einem Auffahrunfall auf einer Autobahn beschädigten Fahrzeuge stellt eine typische Gestaltung zu Lasten des Auffahrenden dar. Sie rechtfertigt die Annahme des ersten Anscheins. Ein Auffahrunfall als Kerngeschehen ist als Grundlage für die Annahme eines Anscheinsbeweises dann nicht hinreichend, wenn weitere Umstände des Unfalls bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die Typizität derartiger ...

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