Rz. 1841

 

Rz. 1842

OLG Hamm[1719]

Pkw-Fahrer (1) will mit seinem Fahrzeug im Stau einer Kolonne von der Überholspur auf die Normalspur wechseln. Dabei kollidiert er mit dem Motorradfahrer (2), der zwischen den stehenden Fahrzeugen auf der Mittellinie durchfährt. Der Motorradfahrer (2) haftet zu 100 %. Die Betriebsgefahr des Pkw tritt hinter dem groben Verschulden des Motorradfahrers (2), der zwischen den stehenden Kolonnen mit 50 km/h hindurch fährt, insgesamt zurück.

 

Rz. 1843

OLG Hamm[1720]

Biegt ein Fahrzeugführer aus einem Grundstück auf die Straße ein und möchte dieser dann unmittelbar danach links in eine Straße abbiegen, haftet der ihn überholenden Fahrzeugführer nicht. Die Betriebsgefahr tritt hinter das erhebliche Verschulden des anderen Fahrzeugführers volllständig zurück.

 

Rz. 1844

OLG Hamm[1721]

Kann das Überholen nur mit einem Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durchgeführt werden, besteht kein faktisches Überholverbot. Nach der Konzeption der §§ 5 und 3 StVO trifft vielmehr denjenigen, der unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, "lediglich" der Vorwurf, gegen § 3 StVO zu verstoßen.

 

Rz. 1845

OLG Düsseldorf[1722]

Der vorsätzlich vorschriftswidrig überholende Motorradfahrer trägt das überwiegende Verschulden (⅔) an einem Zusammenstoß mit einem berechtigterweise zum Überholen ansetzenden Wohnwagengespann. Dies gilt selbst dann, wenn der Fahrer des Gespanns seiner zweifachen Rückschauverpflichtung nicht nachgekommen war. Die Betriebsgefahr ist gleich zu bewerten. Gem. § 5 Abs. 4 S. 1 StVO muss ein Verkehrsteilnehmer, der zum Überholen ausscheren will, sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Diesen Anforderungen genügte das Verhalten des Gespannfahrers nicht. Obwohl dem Motorradfahrer bekannt war, dass an der Unfallstelle durch Verkehrszeichen das Überholen – außer von Traktoren – verboten war, hat er versucht, das Gespann zu überholen. Hiermit hat er vorsätzlich gegen die Norm des § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO verstoßen. Während dem Motorradfahrer aber ein vorsätzlicher Verkehrsverstoß zur Last fällt, hat der Gespannfahrer die Verkehrsvorschriften nur fahrlässig missachtet.

 

Rz. 1846

OLG Köln[1723]

Überholt ein Motorradfahrer (2) eine langsam fahrende Kolonne, obwohl die Sicht durch einen Kleintransporter und eine lang gezogene Rechtskurve eingeschränkt ist, und kommt es dann zu einer Kollision mit einem Linksabbieger (1), so haftet der Motorradfahrer (2) zu 80 %. Bereits angesichts des langsamen Tempos der Kolonne hätte dem Motorrad­fahrer (2) bewusst sein müssen, dass ein – eventuell auch durch den Kleintransporter verdecktes – Fahrzeug in die nach links abzweigende Straße abbiegen könnte. Der Fahrer (2) war ortskundig, die Abzweigung ihm bekannt. Er setzte zum Überholvorgang an, obwohl er wegen des vorausfahrenden Transportfahrzeuges keine ausreichende Sicht nach vorne hatte und die Verkehrssituation nicht sicher einzuschätzen war. Der Linksabbieger (1) hat sich die Betriebsgefahr zurechnen zu lassen.

 

Rz. 1847

OLG Koblenz[1724]

Die erste sich bietende Möglichkeit für ein Überholmanöver nach einer längeren Zeit und mehreren Kilometern in einer Kolonnensituation kann eine unklare Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) begründen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn damit gerechnet werden muss, dass auch andere (vorausfahrende) Fahrzeuge in der Kolonne diese Möglichkeit nutzen, um ein am Kopf der Kolone langsam fahrendes Fahrzeug zu überholen. Kommt es zur Kollision, weil ein Motorradfahrer beim Ausscheren übersah, dass sich der bisher hinter ihm befindliche Fahrer eines Motorrads bereits im Überholmanöver befand, haftet dieser zu ⅔.

 

Rz. 1848

OLG Koblenz[1725]

Bildet sich auf einer Landstraße vor einer ampelgeregelten Baustelle ein kolonnenartiger Rückstau und überholt ein Motorrad mit mäßiger Geschwindigkeit (ca. 15 km/h) diese Kolonne, haftet ein Pkw-Fahrer, der nach links ausschert, um in einen dort befindlichen Wirtschaftsweg einzubiegen, bei einer Kollision mit dem bereits auf nahezu gleicher Höhe befindlichen Motorrad zu 100 %. Die vom Motorrad ausgehende Betriebsgefahr trittt vollständig zurück.

 

Rz. 1849

OLG Stuttgart[1726]

Fährt ein Motorradfahrer (2) auf der Autobahn bei stockendem bzw. stillstehendem Verkehr zwischen den Pkw-Kolonnen in der Mitte hindurch, so überholt er unerlaubt rechts. Bei einer derartigen Verkehrssituation kann sich der in der Mitte durchfahrende Motorradfahrer nicht mit der nötigen hohen Wahrscheinlichkeit darauf verlassen, dass in den Kolonnen stehende andere Verkehrsteilnehmer nicht plötzlich – verkehrswidrig von rechts und links – doch zur Fahrbahnmitte, also "seiner Fahrbahn", steuert, um bessere Übersicht zu gewinnen. Darüber hinaus sei bei solcher Verkehrslage, vor allem bei heißem Wetter, erfahrungsgemäß damit zu rechnen, dass Insassen der Fahrzeuge in der Annahme, die Fahrbahnmitte bleibe frei, zur besseren Belüftung des Fahrzeuginneren unvorsichtig die Türen öffneten oder sogar die Fahrbahn be...

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