Rz. 2620

 

Rz. 2621

OLG Koblenz[2458]

Überquert ein Traktor mit Anhänger (1) tagsüber bei Nebel eine Bundesstraße ohne Warneinrichtungen aufzustellen und kollidiert er mit einem Pkw (2), der trotz zulässiger 70 km/h mit mindestens 100 km/h unbeleuchtet in die Nebelbank mit einer Sichtweite von 40–100 m einfährt, so haftet der Pkw-Fahrer (2) zu 70 %, der Traktor (1) zu 30 %. In einem solchen Ausnahmefall müssen entweder Warneinrichtungen zur seitlichen Sicherung aufgestellt werden oder das Überqueren der Bundesstraße mit einem Landwirtschaftsfahrzeug muss unterlassen werden.

 

Rz. 2622

BGH[2459]

Der Fahrer eines schwerfälligen landwirtschaftlichen Gefährts (1), der außerorts nach links in eine bevorrechtigte Straße einfahren will, die bis zu einer 80 m entfernten Kurve einsehbar ist, braucht bei normalen Lichtverhältnissen am Tag keinen Einweiser zu Hilfe nehmen. Fährt der Einbiegende, der ein auf der Vorfahrtstraße herannahendes Kfz (2) wegen einer Kurve noch nicht sehen kann, berechtigt in die Vorfahrtstraße ein, so erlischt das Vorfahrtrecht des Herannahenden mit der Folge, dass sich die beiderseitigen Verhaltenspflichten nunmehr nach § 1 StVO richten. Fahrer (1) muss in der Regel sofort anhalten, sobald ein auf der Vorfahrtstraße herannahender Verkehrsteilnehmer für ihn sichtbar wird. Er darf den Einbiegevorgang erst fortsetzen, wenn er darauf vertrauen kann, dass er die Fahrbahn für den herannahenden Verkehrsteilnehmer rechtzeitig freimachen kann.

 

Rz. 2623

OLG Schleswig[2460]

Bei dichtem Nebel ist es in erster Linie Sache des die Vorfahrtstraße Benutzenden (2), durch entschiedene Herabsetzung seiner Geschwindigkeit entsprechend seiner Sichtweite die Gefahr eines Zusammenstoßes mit querendem Verkehr zu vermeiden, während der Querende (1) nur durch außergewöhnliche Maßnahmen, die nur von einem Idealfahrer verlangt werden können, dieser Gefahr entgegenwirken kann, ohne sie dadurch zu beherrschen. Der Fahrer einer landwirtschaftlichen Zugmaschine (1), der aus einer untergeordneten Straße kommt, haftet daher im Verhältnis zum Vorfahrtsberechtigten (2) zu 30 %.

 

Rz. 2624

OLG Oldenburg[2461]

Will ein Lkw-Fahrer (1) auf eine bevorrechtigte Straße nach links auffahren, dann können besondere Maßnahmen zur Sicherung nur dann verlangt werden, wenn das Fahrzeug, mit dem eingebogen wird, besonders lang und schwerfällig ist und der Einbiegevorgang deshalb besonders lange dauert und aufgrund problematischer Sichtverhältnisse zudem nicht unerheblich erschwert ist. Auf Grund der gegebenen Lichtverhältnisse und der Tatsache, dass der Fahrer des Lkw eine Strecke von 250 m einsehen konnte, waren hier keine Sicherungsmaßnahmen zu treffen.

 

Rz. 2625

OLG Hamm[2462]

Die sogenannte "halbe Vorfahrt" verpflichtet den Vorfahrtberechtigten zu angepasster Fahrweise, die ihm die Beachtung der eigenen Wartepflicht in Bezug auf vorfahrtsberechtigten Verkehr ermöglicht. Nach dem Vertrauensgrundsatz muss er nur mit einer angepassten Geschwindigkeit des ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigten rechnen, die notfalls ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht, um die ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigten durchfahren zu lassen. Ein Vorfahrtsberechtigter kann sich nach dem Vertrauensgrundsatz darauf verlassen, dass ein für ihn nicht sichtbarer Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht beachtet, wenn er selbst bei nur "halber Vorfahrt" mit angepasster Geschwindigkeit fährt.

 

Rz. 2626

OLG Hamm[2463]

Der Führer eines mit Strohballen schwer beladenen und deshalb schwerfälligen 17,5 m langen Treckergespanns mit zwei Anhängern (1) handelt grob verkehrswidrig, wenn er bei Dunkelheit das seitlich aktiv und passiv unbeleuchtete Gefährt mit eingeschaltetem Abblendlicht von einer Feldzufahrt auf eine Landstraße führt, obwohl sich aus der Richtung, in die das Gespann geführt werden soll, ein Pkw erkennbar nähert und dieser von der Zufahrt nur noch höchstens 270 m entfernt ist. Eine auffällige Warnung der Verkehrsteilnehmer auf der Landstraße vor dem zeitraubenden und deshalb sehr gefährlichen Abbiegevorgang durch gelbes Rundumlicht auf beiden Anhängern oder durch kreisende Bewegungen eines in Händen eines Einweisers gehaltenen gelben Blinklichts ist unerlässlich, weil die Blendwirkung des Treckerabblendlichts dem nahenden Fahrzeugführer die Wahrnehmung des extrem gefährlichen Vorgangs auf sichere Entfernung unmöglich macht. Fahrer (1) haftet zu 100 %.

 

Rz. 2627

OLG Hamm[2464]

Ein Lkw-Führer (1) handelt verkehrsgerecht, wenn er, statt anzuhalten, bei noch nicht sichtbarem bevorrechtigtem Verkehr mit 11–14 km/h die Kreuzung überquert, um so die Überquerungszeit zu verkürzen. Er muss keinen Warnposten aufstellen, wenn er weiß, dass der bevorrechtigte Verkehr durch ein Schild auf die Gefährlichkeit der Kreuzung hingewiesen wird und für diesen die Geschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt ist. Mit Geschwindigkeiten von weit über 100 km/h braucht er dann nicht zu rechnen. Der Pkw-Führer (2), der sich der gefährlichen Kreuzung auf der bevorrechtigten Straße mit 120 bis 130 km/h nähert und schon bei ein...

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