Rz. 125

Bei der unechten Auslandsgesellschaft (Scheinauslandsgesellschaft) haften seit dem 1.2.2021 alle Gesellschafter persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 128 ff. HGB).[97] Die Haftung ist zwingend. Eine Beschränkung der Haftung ist nicht möglich (auch nicht analog § 139 HGB).

 

Rz. 126

Die Haftung trifft alle Gesellschafter. Auf Art, Umfang und Höhe der Beteiligung kommt es somit nicht an. Damit haften auch Minderheitsgesellschafter unbeschränkt, die auf die Geschäftsführung der Gesellschaft keinen Einfluss haben.

 

Rz. 127

Die persönliche Haftung gilt für alle Neuverbindlichkeiten. Als Neuverbindlichkeiten in diesem Sinne sind Verbindlichkeiten anzusehen, die nach dem Wirksamwerden des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union entstanden sind.

 

Rz. 128

Nicht ganz so eindeutig ist dagegen, ob die Gesellschafter auch für etwaige Altverbindlichkeiten persönlich haften.

Gegen eine Haftung auch für Altverbindlichkeiten könnte sprechen, dass die Gläubiger (von vertraglichen Ansprüchen) nicht von einer persönlichen Haftung der Gesellschafter ausgehen konnten, da sie ausschließlich mit einer Kapitalgesellschaft kontrahiert haben. Die Gläubiger würden somit unverdient einen persönlichen Schuldner hinzugewinnen.[98]
Für eine Haftung auch für Altverbindlichkeiten spricht allerdings der Vergleich mit einem Gesellschafter, der einer deutschen Personengesellschaft beitritt. Der neu in eine Personengesellschaft eintretende Gesellschafter haftet für Altverbindlichkeiten, die bereits vor seinem Beitritt bestanden, persönlich und unbeschränkt (siehe § 130 HGB sowie ferner § 173 HGB und § 8 PartGG). In gleicher Weise müssen die Gesellschafter einer englischen Kapitalgesellschaft, die mit dem Wirksamwerden des Austritts erstmals zu persönlich haftenden Gesellschaftern werden, für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft haften.
 

Rz. 129

Die Haftung ist auch nicht unbillig, weil die Gesellschafter mehrere Jahre Zeit hatten, eine persönliche Haftung durch einen Austritt aus der Gesellschaft, einen Rechtsformwechsel oder eine Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden. Zudem haben sich die Gesellschafter bei der Gründung bewusst für eine englische Kapitalgesellschaft entschieden. Die Vorteile dieser Rechtsformwahl haben die Gesellschafter zu Recht für sich genutzt. Umgekehrt haben Sie jetzt auch die Nachteile dieser Rechtsformwahl zu tragen. Eine Korrektur durch den Gesetzgeber oder die Gerichte erscheint nicht geboten.

 

Rz. 130

Die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung im Handelsregister ändert an der persönlichen Haftung der Gesellschafter nichts.

Das Auftreten als ausländische Kapitalgesellschaft mit einem die Haftungsbeschränkung andeutenden Rechtsformzusatz (Limited) lässt die persönliche Haftung gleichfalls nicht entfallen.

[97] Siehe statt vieler Seeger, DStR 2016, 1817 (1819 ff.).
[98] Zu den damit verbundenen international-privatrechtlichen Problemen der Rückwirkung siehe von Bary/Ziereis, RabelsZ 85 (2021) 146 (161 ff.).

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