Rz. 426

Eindeutig sind die Fälle der Errichtung von Gemeinschaftsbetrieben, in denen ein bereits zuvor bestehender Betrieb von mehreren Unternehmen als Gemeinschaftsbetrieb weitergeführt wird.

 

Rz. 427

Entsteht ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen dadurch, dass ein Unternehmen gespalten wird und ein Teil eines Betriebs einem an der Unternehmensspaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet wird (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG), bzw. dadurch, dass ein Betriebsteil im Wege des Betriebsteilübergangs auf ein anderes Unternehmen übertragen wird, und führen die beteiligten Unternehmen den Betrieb sodann als gemeinsamer Betrieb fort, gelten die Betriebsvereinbarungen in dem Gemeinschaftsbetrieb normativ weiter.[494] Auf betrieblicher Ebene ändert sich in diesem Fall nichts, es wechselt lediglich in Bezug auf einen Betriebsteil der Rechtsträger. Allein der Betriebsinhaberwechsel ohne Änderungen auf betrieblicher Ebene hat auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen keine Auswirkung.

 

Rz. 428

Was in den Fällen gilt, in denen der Gemeinschaftsbetrieb nicht schon zuvor als Betrieb eines der beteiligten Unternehmen bestand, sondern aus mehreren Betrieben der beteiligten Unternehmen entsteht, ist höchstrichterlich nicht entschieden und wird auch in der Literatur kaum explizit behandelt.

 

Rz. 429

Letztendlich handelt es sich in diesen Konstellationen um Fälle der Zusammenfassung von Betrieben. Betriebe oder Betriebsteile der beteiligten Unternehmen werden zu einem gemeinschaftlich geführten, einheitlichen Betrieb zusammengefasst. Dabei kann die Zusammenfassung wie auch sonst in der Form einer Zusammenfassung mit oder ohne Eingliederung erfolgen.[495]

 

Rz. 430

Es liegt daher nahe, auf diese Fälle dieselben Grundsätze anzuwenden wie bei unternehmensinternen Zusammenfassungen. Zwar sind an der Errichtung von Gemeinschaftsbetrieben zwingend mehrere Unternehmen beteiligt, so dass es sich nicht um eine unternehmensinterne, sondern eine unternehmensübergreifende Umstrukturierung handelt. Es liegt aber in diesen Konstellationen kein Fall des Betriebsinhaberwechsels vor,[496] denn es geht nicht ein Betrieb auf einen anderen Rechtsträger über, sondern ein Rechtsträger schließt sich mit einem anderen Rechtsträger zusammen und führt den durch Zusammenfassung der Betriebe entstehenden Gemeinschaftsbetrieb gemeinsam mit diesem. Das bedeutet insbesondere, dass § 613a BGB als Auffanglösung oder "Rückfallposition" nicht anwendbar ist. Die Betriebsvereinbarungen gelten also entweder normativ weiter oder gar nicht. Eine analoge Anwendung des § 613a BGB auf Fälle ohne Betriebsinhaberwechsel scheidet aus.[497]

 

Rz. 431

Das bedeutet, dass bei Entstehen des Gemeinschaftsbetriebs durch Zusammenfassung von Betrieben/Betriebsteilen der beteiligten Unternehmen (ohne Eingliederung) die in den zum Gemeinschaftsbetrieb zusammengefassten Betrieben/Betriebsteilen geltenden Betriebsvereinbarungen zumindest dann – beschränkt auf ihren ursprünglichen Geltungsbereich bzw. die Beschäftigten des jeweiligen Unternehmens – normativ weitergelten dürften, wenn die zusammengefassten Betriebe/Betriebsteile innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs als abgrenzbare Teileinheiten erhalten bleiben.[498]

 

Rz. 432

Dass in einem Gemeinschaftsbetrieb für die an ihm beteiligten Arbeitgeber jeweils im Verhältnis zu ihren Beschäftigten betriebsverfassungsrechtlich verschiedene Vergütungsordnungen zur Anwendung gelangen können, ist in der Rechtsprechung anerkannt.[499] Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies nicht auch für Betriebsvereinbarungen gelten soll.

 

Rz. 433

Bleiben hingegen bei der Zusammenfassung ohne Eingliederung die zusammengefassten Betriebe/Betriebsteile innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs nicht als organisatorisch abgrenzbare betriebliche Einheiten erhalten, dürften nach der Rechtsprechung die Betriebsvereinbarungen ihre Geltung vollständig verlieren.

 

Rz. 434

Wird ein Betrieb(steil) im Rahmen der Zusammenfassung zu einem Gemeinschaftsbetrieb in einen anderen Betrieb(steil) eingegliedert und geht er ihn ihm auf, enden die in dem eingegliederten Betrieb(steil) geltenden Betriebsvereinbarungen ebenfalls. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob die im aufnehmenden Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des eingegliederten Betriebs(teils) gelten, wie dies bei unternehmensinternen Eingliederungen von der h.M. angenommen wird.[500]

 

Rz. 435

Dies würde hier jedoch – anders als bei unternehmensinternen Eingliederungen – bedeuten, dass die Geltung von Betriebsvereinbarungen auf Beschäftigte ausgeweitet würde, die kein Arbeitsverhältnis mit dem die Betriebsvereinbarung abschließenden Unternehmen haben, sondern deren Arbeitsverhältnis mit einem anderen an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmens besteht.

 

Rz. 436

Wenn man eine solche Ausdehnung auf "fremde" Beschäftigte überhaupt für möglich erachtet, müssten hiervon jedenfalls aber diejenigen Betriebsvereinbarungen ausgenommen sein, die das arbeitsvertragliche Austauschverhäl...

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