Rz. 282

Nach der Rechtsprechung des BAG entscheidet sich das Schicksal der im übertragenen Betrieb oder Betriebsteil geltenden Betriebsvereinbarungen danach, ob es sich um eine identitätswahrende Betriebsübertragung handelt oder nicht.[316]

 

Rz. 283

Wahrt der Betrieb oder Betriebsteil im Rahmen des Betriebs(teil)übergangs seine Identität, gelten die Betriebsvereinbarungen beim Erwerber dem Grundsatz nach normativ fort.[317] Verliert der übertragene Betrieb oder Betriebsteil seine Identität, endet die normative Wirkung der Betriebsvereinbarungen und es gelten §§ 613a Abs. 2 S. 2 bis 4 BGB.

 

Rz. 284

Ein identitätswahrender Betriebsübergang liegt jedenfalls dann vor, wenn ein gesamter Betrieb übertragen wird und dieser durch den Erwerber im Wesentlichen unverändert weitergeführt wird.[318] Dann gelten auch die Betriebsvereinbarungen normativ weiter.

 

Rz. 285

Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nicht nur bei der Übertragung eines ganzen Betriebs. Die Rechtsprechung nimmt vielmehr an, dass auch ein Betriebsteil unter Wahrung seiner Identität[319] auf einen Erwerber übertragen werden kann mit der Folge, dass die Betriebsvereinbarungen des Ursprungsbetriebs im übertragenen Betriebsteil beim Erwerber normativ weitergelten.[320] Auch die h.M. in der Literatur geht in einem solchen Fall von einer normativen Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen aus.[321]

 

Rz. 286

Es stellt sich also die Frage, wann im Falle eines Betriebsteilübergangs von einer "Wahrung der Identität" ausgegangen werden kann. Wie bereits ausgeführt, setzt ein Betriebsteilübergang denknotwendig eine Betriebsspaltung beim Veräußerer voraus.[322] Der zu übertragende Betriebsteil ist somit bereits vor dem Betriebsteilübergang durch die Betriebsspaltung beim Veräußerer nicht mehr vollständig identisch mit dem Ursprungsbetrieb, für den die Betriebsvereinbarungen galten. Dieser Spaltungsvorgang als solcher, bei dem der ab- oder aufgespaltene Betriebsteil zumindest teilidentisch mit dem Ursprungsbetrieb ist, beendet die (normative) Wirkung von Betriebsvereinbarungen jedoch nicht. Die Spaltung als solche führt also nicht zu einem solch großen Identitätsverlust, dass eine Beendigung der Betriebsvereinbarungen berechtigt wäre.

 

Rz. 287

Wenn das BAG davon ausgeht, dass ein Betriebsteil "unter Wahrung seiner Identität" auf einen Erwerber übertragen werden kann, muss es daher für die Frage der Identitätswahrung primär auf das Schicksal des übertragenen Betriebs(teils) beim Erwerber ankommen. Da die Spaltung die Identität im hier maßgeblichen Sinne nicht beendet, muss für die Identitätswahrung als Voraussetzung für eine normative Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen entscheidend sein, ob der Betrieb(steil) nach der Übertragung beim Erwerber seine Identität wahrt. So geht es auch nach dem LAG Berlin-Brandenburg darum, ob "ein Betrieb oder Betriebsteil nach dem Übergang seine bisherige Identität verliert."[323]

 

Rz. 288

Ausdrücklich entschieden sind lediglich zwei Fallkonstellationen: die Betriebsvereinbarungen gelten normativ weiter, wenn ein Betriebsteil beim Erwerber als selbstständiger Betrieb weitergeführt wird.[324] In diesem Fall bewahrt der übergegangene Betriebsteil, der mit dem Ursprungsbetrieb zumindest teilidentisch ist, diese (Teil)Identität beim Erwerber, so dass die Betriebsvereinbarungen des Ursprungsbetriebs normativ weitergelten. Die Betriebsvereinbarungen gelten außerdem normativ weiter, wenn der Erwerber einen Betriebsteil übernimmt und ihn ohne wesentliche Änderung der bestehenden Organisation gemeinsam mit dem Veräußerer als Gemeinschaftsbetrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG fortführt.[325]

 

Rz. 289

Demgegenüber liegt nach der Rechtsprechung wohl kein identitätswahrender Betriebs(teil)übergang und damit auch keine normative Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen vor, wenn der übertragene Betrieb(steil) beim Erwerber in einen anderen Betrieb eingegliedert wird und in diesem aufgeht.[326]

 

Rz. 290

Ob allerdings nach der Rechtsprechung neben der ausdrücklich entschiedenen Fortführung des übertragenen Betriebs(teils) beim Erwerber als selbstständiger Betrieb bzw. als gemeinsamer Betrieb mit dem Veräußerer weitere Konstellationen denkbar sind, in denen bei einem Betriebsteilübergang – und letztlich auch bei einem Betriebsübergang – von einer normativen Weitergeltung der Veräußererbetriebsvereinbarungen auszugehen ist, ist unklar.

 

Rz. 291

Dafür sprechen könnte die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des BAG vom 18.9.2002 insoweit, also dass das BAG die normative Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen bei einem Betriebsteilübergang dort mit dem für den Ursprungsbetriebsrat bestehenden Übergangsmandat begründet.[327]

 

Rz. 292

Es stellt sich die Frage, ob aus dieser Begründung geschlossen werden kann, dass immer dann, wenn ein Übergangsmandat für den Betriebsrat des Ursprungsbetriebs beim Veräußerer besteht, die für diesen Ursprungsbetrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen beim Erwerber normativ weitergelten.[328] Immerhin hat das BAG das Übe...

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