Rz. 5

Damit stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung des Betriebs im Zusammenhang mit Umstrukturierungen zu einem Identitätsverlust führt bzw. umgekehrt die Betriebsidentität gewahrt bleibt. Klar ist, dass "Identität" dabei nicht im logischen Sinne verstanden werden kann, geht es ja gerade um die Abgrenzung von unterschiedlichen Veränderungen, weil jede Veränderung dazu führt, dass der Betrieb nicht mehr vollumfänglich derselbe ist wie zuvor.

 

Rz. 6

Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Spaltungen und Zusammenfassungen von Betrieben stellt das BAG für die Frage des Schicksals des Betriebsratsamts auf den Verlust bzw. die Wahrung der "betrieblichen Identität" ab. Der Begriff der Identität des Betriebs sei, soweit es um die Beurteilung von Spaltungsvorgängen gehe, nicht in einem logischen Sinne zu verstehen. Es gehe darum, ob das betriebliche Substrat, auf das sich das Betriebsratsamt bezieht, weitgehend unverändert geblieben sei, ob also insbesondere ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang mit dem Ursprungsbetrieb noch bestehe.[6] Dabei werde die Identität der betrieblichen Einheit maßgeblich durch deren Leitung geprägt.[7] Auch bei der Beurteilung von Zusammenfassungen von Betrieben greift das BAG die Bedeutung der betrieblichen Identität auf, ohne allerdings zu definieren, welchen Grad der Veränderung diese Kriterien erfahren müssen, damit von einem Identitätsverlust ausgegangen werden kann.

 

Rz. 7

Zitat

"Dieser Betrieb ist […] unter Verlust seiner Identität im Wahlbetrieb B. aufgegangen. Da dort ein Betriebsrat existierte, ist das Amt des Betriebsrats O. – wegen § 21a Abs. 2 BetrVG in Verb. mit § 21a Abs. 1 S. 1 letzter Hs. BetrVG ohne Über­gangsmandat – erloschen.".[8]

 

Rz. 8

In der Literatur wird die Anknüpfung an die Betriebsidentität insbesondere von Kreutz[9] als inhaltsleere Begrifflichkeit kritisiert, mit der Differenzierungen nicht möglich seien. Die ganz h.M. hält demgegenüber an der Lehre von der betrieblichen Identität fest.[10] Richtig ist aber, dass mit der Anknüpfung an die Betriebsidentität noch nicht die Frage beantwortet ist, wann sich ein Identitätsverlust eines Betriebs feststellen lässt und wann nicht.

 

Rz. 9

Im Zusammenhang mit § 613a BGB hat sich das BAG bereits mit Kriterien zur Bestimmung der Wahrung der Betriebsidentität befasst.[11] Auf die zum gleichgelagerten Problem beim (Teil-)Betriebsübergang entwickelten Kriterien kann daher zurückgegriffen werden, obwohl der Betriebsbegriff des 613a BGB und derjenigen des BetrVG nicht identisch sind.[12] Auch hier gibt es keinen starren Kriterienkatalog, sondern jeder Einzelfall ist in einer Gesamtschau nach zahlreichen Gesichtspunkten zu würdigen. Es spielen quantitative Gesichtspunkte sowie räumliche, funktionale und strukturelle Kriterien eine Rolle.[13]

 

Rz. 10

Der Begriff der betrieblichen Identität kann dabei nur als Ausgangspunkt für die Frage dienen, ob sich der bisherige Betrieb durch die Umstrukturierung so maßgeblich verändert hat, dass es erforderlich erscheint, die Vertretung der Arbeitnehmer auf eine neue den geänderten Verhältnissen angepasste Basis zu stellen.

 

Rz. 11

Anders formuliert lautet die zu beantwortende Frage für die Feststellung eines vorzeitigen Endes des Betriebsratsmandats mit der Folge der Entstehung eines Übergangs- und/oder Restmandats: "Ist das Ausmaß der betrieblichen Veränderung so groß, dass eine Weiterführung des regulären Amts bis zur nächsten regulären Betriebsratswahl nicht zu rechtfertigen wäre, weil der Betrieb nach der Umstrukturierung nicht mehr identisch ist mit dem Betrieb, für den der Betriebsrat gewählt wurde?" Diese Frage ist aus der Perspektive der Arbeitnehmer zu beantworten, denn um deren Repräsentation geht es.[14]

 

Rz. 12

Mehrheitlich wird angenommen, alleiniges, jedenfalls entscheidendes Kriterium für die Feststellung eines Identitätsverlustes seien die Größenverhältnisse der beteiligten betrieblichen Einheiten.[15] Bei einer Spaltung soll danach die betriebliche Identität des Ursprungsbetriebs stets verloren gehen, wenn die Hälfte (oder mehr) der regelmäßigen Belegschaft des Ursprungsbetriebs anderweitigen Leitungsstellen zugeordnet werden.[16] Bei der Zusammenfassung von Betrieben könne nur von einer Identitätswahrung (der größeren Einheit) ausgegangen werden, wenn eine größere Einheit eine kleinere Einheit aufnehme.[17] Nachvollziehbar ist die Bemühung, durch ein messbares Kriterium eine rechtssichere Beurteilung der Frage des Identitätsverlustes bzw. der Identitätswahrung zu ermöglichen. Auch werden sich wohl eine Vielzahl von Fällen schon unter Berücksichtigung der Größenverhältnisse eindeutig zuordnen lassen. Ob die Größenverhältnisse der beteiligten Einheiten bei der Beurteilung von Zweifelsfällen aber ein taugliches Kriterium sind, erscheint zweifelhaft.[18]

 

Rz. 13

Überzeugender scheint es daher, in jedem Einzelfall eine Gesamtabwägung im Sinne einer typologisierenden Betrachtung vorzunehmen, in die folgende Kriterien einfließen, ohne dass eine starre Rangfolge ...

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