Rz. 237

Bleibt der Besteller

einem vereinbarten oder
einem von dem Unternehmer (einseitig) innerhalb einer angemessenen Frist[406] bestimmten

Termin (d.h. Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Terminbestimmung) zur Zustandsfeststellung fern[407] (kommt es also nicht zu einer gemeinsamen Zustandsfeststellung gemäß § 650g Abs. 1 BGB), so kann der Unternehmer nach § 650g Abs. 2 S. 1 BGB die Zustandsfeststellung auch einseitig vornehmen (einseitige Zustandsfeststellung[408]  – als Rechtsfolge [Sanktion] einer Verletzung der Gläubigerobliegenheit zur Mitwirkung) –, um auch in einem solchen Fall die Rechtsfolgen nach § 650g Abs. 3 BGB (nachstehende Rdn 244 ff.) auslösen zu können.

 

Rz. 238

Dies gilt nur dann nicht (d.h. eine einseitige Zustandsfeststellung durch den Unternehmer muss unterbleiben), wenn der Besteller infolge eines Umstands fernbleibt,

den er nicht zu vertreten hat (kein Verschulden i.S.d. §§ 276 bis 278 BGB) und
den er dem Unternehmer unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB – d.h. "ohne schuldhaftes Zögern") nach Kenntniserlangung mitgeteilt hat

(so § 650g Abs. 2 S. 2 BGB).

 

Rz. 239

Auf diese Weise will der Gesetzgeber erreichen, dass sich die Vertragsparteien sowohl über den Termin einer Zustandsfeststellung austauschen als auch die Frage des Vertretenmüssens eines eventuellen Fernbleibens des Bestellers noch vor dem Termin zwischen ihnen erörtert wird.[409]

 

Rz. 240

 

Beachte:

Die Voraussetzungen einer einseitigen Zustandsfeststellung nach § 650g Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB sind nicht erfüllt, wenn Unternehmer und Besteller sich zwar zu einer "gemeinsamen Zustandsfeststellung" treffen, dabei aber keine Einigung über den festzustellenden Zustand erzielen können[410] (Verweigerung einer Unterschriftsleistung bei gemeinsamer Feststellung):[411] Hier besteht für den Unternehmer allein die Möglichkeit, ein selbstständiges Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) zum Zustand des Werks durchführen oder einen gerichtlich bestellten Sachverständigen tätig werden zu lassen.

 

Rz. 241

Schwenker/Rodemann[412] monieren, die Regelung berücksichtige nicht, "dass der Unternehmer eine einseitige Feststellung oft nicht treffen kann, weil er keinen Zugriff auf das Werk hat, z.B. Arbeiten in der Wohnung des Bestellers".

 

Rz. 242

Der Unternehmer hat – damit der Besteller vom Inhalt der einseitigen Zustandsfeststellung (überhaupt) Kenntnis erlangt und auch einer nachträglichen Änderung der Zustandsfeststellung vorgebeugt wird[413]  – die einseitige Zustandsfeststellung nach § 650g Abs. 2 S. 3 BGB mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu versehen und sie zu unterschreiben sowie dem Besteller eine Abschrift der einseitigen Zustandsfeststellung zur Verfügung zu stellen.

 

Rz. 243

 

Beachte:

Die Norm trifft keine Regelung in Bezug auf die Kostenzuordnung für eine Zustandsfeststellung (Kostenfrage). Nach Ansicht des Gesetzgebers liegt die Zustandsfeststellung jedoch im Interesse beider Vertragspartner[414] – weswegen

"jede Partei die ihr entstehenden Kosten der Zustandsfeststellung grundsätzlich selbst zu tragen" hat.[415]
Ausnahmsweise soll dann aber etwas anderes gelten, wenn die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB vorliegen, bspw. im Falle, dass der Unternehmer – obwohl das Werk offensichtlich "wesentliche Mängel" aufweist – den Besteller zur Abnahme des Werks auffordert.[416]
[406] "Angemessenheit" hängt von den Umständen ab (z.B. der Werksbeschaffenheit oder den objektiven Möglichkeiten des Bestellers): Der Besteller muss genügend Zeit haben, sich auf den Termin einzustellen und die erforderlichen Prüfungen zur Abnahmereife herbeizuführen: Palandt/Sprau, § 650g BGB Rn 5.
[407] Der Besteller erscheint nicht selbst und entsendet auch keinen bevollmächtigten Vertreter: Palandt/Sprau, § 650g BGB Rn 5.
[408] Dazu näher jurisPK-BGB/Leicht, § 650g BGB Rn 22.
[409] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 60.
[410] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 61.
[411] Palandt/Sprau, § 650g BGB Rn 5: ggf. könne aber § 242 BGB greifen. Dazu auch Tschäpe/Weber, ZfBR 2017, 419, 423.
[412] Schwenker/Rodemann, § 650g BGB Rn 4.
[413] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 61.
[414] Schwenker/Rodemann, § 650g BGB Rn 6.
[415] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 61.
[416] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 61.

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