Rz. 78

Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung (Begrenzung der Verhandlungsphase auf 30 Tage) nach § 650b Abs. 1 BGB über die

Änderung und (sofern der Unternehmer nach § 650c Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 650b Abs. 1 S. 5 BGB ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung hat) auch über die daraus resultierende
Mehr- oder Mindervergütung

(Fall des fehlenden Einvernehmens zwischen den Parteien[144] auf der Grundlage der nach § 650b Abs. 1 BGB zu erstellenden Unterlagen [Planung und Angebot] – Erlöschen der Verhandlungspflicht[145] nach 30 Tagen – Fristablauf), kann der Besteller die Änderung nach § 650b Abs. 2 S. 1 BGB in Textform (§ 126b BGB) anordnen (Anordnungsecht des Bestellers als Gestaltungsrecht zur Vertragsänderung).[146]

 

Rz. 79

Sprau[147] qualifiziert das Anordnungsrecht als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ähnlich § 315 BGB.

 

Rz. 80

 

Beachte:

Das Anordnungsrecht kann auch mehrfach ausgeübt werden.[148]

 

Rz. 81

Dieses Procedere werde – so Stimmen in der Literatur[149]  – den Bedürfnissen der Praxis allerdings nicht gerecht. Göbel[150] äußert zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 650b Abs. 2 BGB.

 

Rz. 82

 

Beachte:

Eine gesetzliche Frist für die Vorlage des Nachtragsangebots besteht nicht.[151]

 

Rz. 83

Schwenker/Rodemann[152] weisen darauf hin, dass die 30-Tage-Frist bis zur Ablehnung des Nachtragsangebots in der Praxis leicht überschritten werden kann – weswegen (wenn der Unternehmer das Kooperationsverbot nicht verletzt) ein zwischenzeitlich eintretender Baustillstand nach § 642 BGB vom Besteller zu entschädigen sein dürfte.[153]

 

Rz. 84

Für die Berechnung der 30-Tage-Frist gelten die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB.[154]Orlowski[155] will für den Fall einer endgültigen Kooperationsverweigerung des Unternehmers und Eilbedürftigkeit dem Besteller auch ein Anordnungsrecht schon vor Fristablauf zubilligen.

 

Rz. 85

 

Beachte:

Unter "Änderung des Werkerfolgs" i.S.v. § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB "können Änderungen zur Bauzeit nicht erfasst werden".[156]

 

Rz. 86

Die Anordnung ist eine formbedürftige, einseitige und empfangsbedürftige (unwiderrufliche) Willenserklärung des Bestellers.[157] Eine konkludente Anordnung ist damit nicht möglich.[158]

 

Rz. 87

Eine Anordnung soll auch zulässig sein, wenn zwischen den Parteien umstritten ist, ob eine Vergütungspflicht besteht.[159]

 

Rz. 88

Das Anordnungsrecht bewirkt – ebenso wie ein erzieltes Einvernehmen über die Änderung (und ggf. die infolgedessen zu leistende Mehr- oder Mindervergütung) – eine Vertragsänderung[160] (i.S.v. § 311 Abs. 1 BGB, d.h. eine Umgestaltung des Vertrags)[161]  – infolgedessen trifft den Unternehmer (wenn die Änderungsanordnung hinreichend bestimmt ist) eine Ausführungspflicht (in Bezug auf die zusätzlichen Leistungen (Befolgungspflicht des Unternehmers[162] aus dem geänderten Vertrag [Vertragspflicht]),[163] vgl. § 650b Abs. 2 S. 2 BGB).

 

Rz. 89

Das Textformerfordernis sorgt für Klarheit und soll vor Übereilung schützen. Textform bedeutet, dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt wird, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (so § 126b S. 1 BGB). "Dauerhafter Datenträger" ist nach § 126b S. 2 BGB jedes Medium, das

es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist (Nr. 1), und
geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben,

z.B. eine CD-ROM, ein Computerfax, eine E-Mail, eine Festplatte, Papier, eine Spei­cherkarte oder ein USB-Stick.[164] Zur Wahrung der Textform bedarf es allerdings keiner Unterschrift.[165] Notwendig ist es nur, dass der räumliche Abschluss der Erklärung erkennbar ist.

 

Rz. 90

Anstelle der ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren alternativ vorgeschlagenen Schrift­form (vgl. § 126 BGB) liegt die Entscheidung des Gesetzgebers für Textform letztlich darin begründet, dass diese der Rechtssicherheit, der Klarstellung sowie einer besseren Beweisbarkeit der Anordnung dient und im Übrigen den Besteller auch vor übereilten Anordnungen schützen soll[166] – eine Argumentation, die gleichermaßen aber auch für die Vorgabe eines Schriftformerfordernisses gelten könnte.

 

Rz. 91

Erfolgt die Anordnung nicht in Textform, so ist sie nach § 125 BGB nichtig.[167] Obgleich kein gesetzlicher Vergütungsanspruch des Unternehmers besteht, kann es zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB) kommen (vgl. in Bezug auf einen Wertersatz für Mehrleistungen, die wegen ihrer Beschaffenheit nicht herausgegeben werden können, § 818 Abs. 2 BGB).[168]

 

Rz. 92

 

Beachte:

Ggf. kann eine trotz Formnichtigkeit vom Unternehmer ausgeführte Anordnung als einvernehmliche Vertragsänderung qualifiziert werden, wenn dieser ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein hatte.[169]

 

Rz. 93

Problematisch ist, ob ein Anordnungsrecht für den Fall besteht, dass die Voraussetzungen nach § 650b Abs. ...

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