Rz. 32

 

§ 650b Änderung des Vertrags; Anordnungsrecht des Bestellers

(1) Begehrt der Besteller

1. eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder
2. eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist, streben die Vertragsparteien Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr oder Mindervergütung an. Der Unternehmer ist verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für die Unzumutbarkeit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 geltend, trifft ihn die Beweislast hierfür. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Absatz 1 Satz 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an; Satz 2 findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1, kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. Der Unternehmer ist verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

 

Rz. 33

Die Begehr des Bestellers auf Vertragsänderung und ein Anordnungsrecht des Bestellers (das dem Werkvertragsrecht[62] bisher – allerdings im Unterschied zu § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B[63]  – fremd war)[64] hat in § 650b BGB eine Regelung erfahren.

 

Rz. 34

Das Anordnungsrecht des Bestellers soll dem auf eine längere Erfüllungszeit (längeres Prozessgeschehen) angelegten Bauvertrag und dem komplexen (komplizierten) Baugeschehen (komplexes Umfeld) Rechnung tragen – insbesondere dem Umstand, dass während der Bauausführung immer wieder einmal (auch unvorgesehene) Veränderungen auftreten können[65] (z.B. geänderte Bedürfnisse und Vorstellungen des Bestellers, aber auch geänderte rechtliche Anforderungen oder veränderte technische Vorgaben).[66] Oft ist es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht möglich, abzusehen, ob zusätzliche Leistungen für die Erreichung des Leistungserfolges erforderlich sind. Bauverträge stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen Planung und Realität.[67] Damit unterscheidet sich der Bauvertrag auch wesentlich von einem bloß auf einen punktuellen Leistungsaustausch ausgerichteten Vertrag über einfache Werkleistungen.[68]

 

Rz. 35

Vor einer Anordnung des Bestellers steht jedoch zwecks Vermeidung von Streitigkeiten, die die weitere Bauausführung erheblich belasten können, die gesetzgeberische Intention der Herstellung eines Einvernehmens (Konsensprinzip) über die Vertragsänderung zwischen den Vertragsparteien[69] (Vertragsänderung durch eine vorrangige Einigung der Parteien über die Änderung sowie über die sich daraus ergebenden Vergütungsfolgen vor einer einseitigen Anordnung der Änderung durch den Besteller) – und zwar während der gesamten Erfüllungsphase ("während der Ausführung des Baus"[70]  – mithin über den gesamten Zeitraum der Bauausführung hinweg bis zur Abnahme des Bauwerks).[71]

 

Rz. 36

Dazu wird in § 650b BGB ein bestimmter Verfahrensablauf[72] vorgegeben: Dem Änderungsbegehren des Bestellers folgt eine Planung mit korrespondierendem Angebot des Unternehmers. Dem schließt sich ein Einigungsversuch zwischen den Parteien an, der im Falle seines Scheiterns zu einem einseitigen Anordnungsrecht des Bestellers führt.

[62] Allerdings war der Unternehmer auch früher schon verpflichtet, zwingende Änderungen (bspw. infolge behördlicher Auflagen) bzw. zwingende Leistungen, die im Einzelfall zur Erreichung des Werkerfolgs notwendig sind, auf der Grundlage von §§ 157, 242 BGB (unter Berücksichtigung der Beschränkungen in § 1 Abs. 4 VOB/B) zu erbringen: so BGH NJW 1996, 1346, 1347 – ohne dass dem Besteller jedoch unter der Geltung des vormaligen Werkvertragsregimes ein einseitiges Weisungsrecht konzediert worden war: Oberhauser, Das neue Bauvertragsrecht, § 2 Rn 26.
[63] "Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, bleibt dem Auftraggeber vorbehalten" (§ 1 Abs. 3 VOB/B). "Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vereinbarten Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Andere Leistungen können dem Auftragnehmer nur mit seiner Zustimmung übertragen werden" (§ 1 Abs. 4 VOB/B).
[64] Zur Vertragsänderung war vielmehr ein Änderungsvertrag i.S.v. § 311 Abs. 1 BGB notwendig: Schwenker/­Rodemann, § 650b BGB R...

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