Rz. 448

Mit der Rechtsänderung in § 110 SGB X kommt dem Angehörigenprivileg (§ 116 VI SGB X) Bedeutung zu. Das Angehörigenprivileg kommt zur Anwendung und kürzt den Regressanspruch des SVT; soweit das Angehörigenprivileg gegriffen hätte, hätte der Schadenersatzpflichtige keinen Aufwand gehabt.

 

Rz. 449

Die Verknüpfung mit dem "zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch"“ in § 110 I 2 SGB VII führt letztlich zu einer Berücksichtigung der Konsequenzen aus dem Angehörigenprivileg,[350] auch wenn dieser Anspruch weiterhin ein originärer Anspruch des SVT und damit unabhängig von einem Forderungsübergang ist. Die Neuregelung trägt den zivilrechtlichen Einwendungen Rechnung: Nach der BGH-Rechtsprechung[351] kommt es auf den zivilrechtlichen Aufwand des Schädigers an, den dieser wegen seiner Privilegierung ("Arbeitsunfall") spart. Da beim Regress nach § 116 SGB X der Schädiger wegen § 86 III VVG (§ 67 II VVG a.F.), § 116 VI SGB X keine Leistungen an SVT und andere Drittleistungsträger hätte erbringen müssen, soweit das Angehörigenprivileg zum Tragen gekommen wäre, sind insoweit auch keine Leistungen in den Regresszugriff des SVT nach § 110 SGB VII einzustellen:[352] Vergleichsmaßstab für den Regress bleibt, was der Schädiger letztlich ohne seine Haftungsprivilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII hätte zahlen müssen.[353]

 

Rz. 450

Dass § 110 II SGB VII (wie zuvor bis 31.12.1996 § 640 II RVO) dem SVT die Möglichkeit einräumt, Verzicht zu üben, steht der grundsätzlich zu fordernden Privilegierung nicht entgegen. § 116 VI SGB X, § 86 III VVG (§ 67 II VVG a.F.) schützen die Angehörigen absolut und unabhängig von der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (siehe auch § 39 SGB I) oder einer wohlwollenden Verzichtserklärung des SVT. Über die Voraussetzungen des Verzichtes hat das Zivilgericht zu entscheiden[354] (zum Ermessen ergänzend siehe Rn 551 ff.).

[350] Jahnke, Ausgewählte Probleme für die Schadenregulierung, S. 158; Küppersbusch/Höher, Rn 565.
[351] BGH v. 27.6.2006 – VI ZR 143/05 – (zu Rn 12, 15) BG 2007, 41 (Anm. Kornes) = BGHZ 168, 161 = DAR 2006, 631 = MDR 2007, 150 = NJW 2006, 3563 = NZV 2007, 31 = r+s 2006, 479 = SP 2006, 345 = SVR 2006, 431 (nur Ls.) (Anm. Lang) = VersR 2006, 1429 = VRS 111, 259 = zfs 2007, 80 (Vorinstanz OLG Köln v. 30.5.2005 – 21 U 22/04 – r+s 2005, 306 [Anm. Lemcke]).
[352] BGH v. 27.6.2006 – VI ZR 143/05 – BG 2007, 41 (Anm. Kornes) = BGHZ 168, 161 = DAR 2006, 631 = MDR 2007, 150 = NJW 2006, 3563 = NZV 2007, 31 = r+s 2006, 479 = SP 2006, 345 = SVR 2006, 431 (nur Ls.) (Anm. Lang) = VersR 2006, 1429 = VRS 111, 259 = zfs 2007, 80 (zu Rn 12, 15). In diesem Sinne ist auch BGH v. 29.1.2008 – VI ZR 70/07 – BGHReport 2008, 585 = MDR 2008, 564 = NJW 2008, 2033 = NJW-Spezial 2008, 298 = r+s 2008, 172 = SP 2008, 183 = VersR 2008, 659 = VRS 114, 219 = zfs 2008, 323 zu verstehen: Der Schädiger darf auch prozessual nicht schlechter stehen als er ohne die Privilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII gestanden hätte; § 110 SGB VII will den Schädiger gegenüber § 640 RVO besser – und nicht schlechter – stellen. Siehe auch Geigel-Wellner, Kap. 32 Rn 29.
[353] Siehe BGH v. 27.6.2006 – VI ZR 143/05 – (zu Rn 12, 15) BG 2007, 41 (Anm. Kornes) = BGHZ 168, 161 = DAR 2006, 631 = MDR 2007, 150 = NJW 2006, 3563 = NZV 2007, 31 = r+s 2006, 479 = SP 2006, 345 = SVR 2006, 431 (nur Ls.) (Anm. Lang) = VersR 2006, 1429 = VRS 111, 259 = zfs 2007, 80 (Vorinstanz OLG Köln v. 30.5.2005 – 21 U 22/04 – r+s 2005, 306 [Anm. Lemcke]) (Nach der Neuregelung durch § 110 SGB VII wird der dem Regress ausgesetzte Schädiger so gestellt, wie er ohne die Privilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII stünde). Jahnke "Angehörigenprivileg im Wandel" NZV 2008, 57 (66, zu V.); Jahnke, Ausgewählte Probleme für die Schadenregulierung, S. 158; Küppersbusch/Höher, Rn 565.
[354] BGH v. 28.9.1971 – VI ZR 216/69 – BGHZ 57, 96 = MDR 1972, 131 = NJW 1972, 107 = VersR 1971, 1167; BSG v. 11.12.1973 – 2 RU 102/71 – juris (Für den Verzicht [§ 640 II RVO] auf den Ersatzanspruch [§ 640 I RVO] ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden nach § 51 I SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Die Entscheidung über den Verzicht auf den Ersatzanspruch [§ 640 II RVO] steht in einem so engen Sachzusammenhang mit dem Ersatzanspruch des § 640 I RVO, dass die Rechtsnatur der Verzichtsentscheidung maßgeblich von der Rechtsnatur des Ersatzanspruchs beeinflusst wird.).

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