Rz. 21

Das Unterlassungsklagengesetz gewährt in seinem § 1 einen Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen und in seinem § 2 einen Unterlassungsanspruch bei verbraucherschutzgesetzwidrigen Praktiken (sowie – außerhalb des hier interessierenden AGB-Bereichs – in § 2 lit. a einen Unterlassungsanspruch bei Verstößen gegen § 95 lit. b Abs. 1 UrhG). Anspruchsberechtigte Stellen für die in den §§ 1 und 2 UKlaG bezeichneten Ansprüche sind nach § 3 Abs. 1 UKlaG qualifizierte Einrichtungen i.S.v. § 4 UKlaG (bzw. in dem Verzeichnis der EG-Kommission nach Art. 4 der ­Richtlinie 98/27/EG [ABl EG Nr. L 166, S. 51] eingetragene Einrichtungen), rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen sowie Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern.

Gemäß Art. 4 der Richtlinie 98/27/EG führt die Kommission der EG ein Verzeichnis "qualifizierter Einrichtungen", die nicht nur in ihrem Heimatstaat, sondern auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG anspruchsberechtigt sind.[47] Das Bundesamt für Justiz führt zum 1. Januar eines jeden Jahres eine im Bundesanzeiger bekannt gemachte Liste der nach deutschem Recht "qualifizierten Einrichtungen", die nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG anspruchsberechtigt sind, die an die EU-Kommission zur Aufnahme in das Verzeichnis nach § 4 UKlaG weitergeleitet wird.[48] Der Eintragung im Verzeichnis bzw. der beim Bundesamt für Justiz geführten Liste[49] kommt konstitutive Bedeutung zu[50] mit der Folge, dass es dem Prozessgericht verwehrt ist, zu prüfen, ob die Eintragung rechtmäßig erfolgt bzw. die Nichteintragung unrechtmäßig unterblieben ist.[51] Die Prüfungskompetenz des Prozessgerichts erstreckt sich allein auf die Frage, ob die Prozessführung im konkreten Fall vom Schutzzweck der Einrichtung gedeckt ist.[52]

 

Rz. 22

Nach § 1 UKlaG kann derjenige, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt (Verwender oder Empfehler), die nach den §§ 307309 BGB unwirksam sind, auf Unterlassung und (im Fall des Empfehlens auch auf) Widerruf in Anspruch genommen werden. § 1 UKlaG zielt darauf ab, den Rechtsverkehr vor unwirksamen Klauseln freizuhalten.[53] Zugleich soll verhindert werden, dass Rechtsunkundige von einer Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten werden, wenn ihnen eine Klausel, die nach Maßgabe der §§ 307309 BGB unwirksam ist (unabhängig davon, ob die Klausel wegen des Vorrangs der Individualabrede nach § 305 lit. b BGB keine Wirkung entfaltet),[54] entgegengehalten wird.[55] § 1 UKlaG erfordert – wie jeder Unterlassungsanspruch – das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr als ungeschriebene materielle Tatbestandsvoraussetzung.[56] Eine Wiederholungsgefahr kann nicht automatisch schon dann angenommen werden, wenn der Rechtsvorgänger des Verwenders (bspw. vor einer Verschmelzung auf den jetzigen Verwender) unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hat.[57]

Ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG setzt voraus, dass es sich bei den beanstandeten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt und dass diese einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307309 BGB – oder bei Verwendung zwischen Unternehmern (§ 310 Abs. 1 S. 1, 2 BGB) einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB – nicht standhalten.[58]

Der Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG umfasst neben der Pflicht, die Verwendung einer Klausel in Neuverträgen zu unterlassen, auch die Verpflichtung, bei der Durchführung bereits bestehender Verträge die beanstandete Klausel nicht anzuwenden.[59]

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG kann derjenige, der in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorschriften zuwiderhandelt, die dem Schutz der Verbraucher dienen (Verbraucherschutzgesetze i.S.v. § 2 Abs. 2 UKlaG), im Interesse des Verbraucherschutzes auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.[60] § 2 UKlaG zielt auf einen kollektiven Schutz der Verbraucherinteressen – nicht hingegen auf die Durchsetzung von Individualansprüchen.[61]

Beachte: Werden unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet oder empfohlen, gilt ausschließlich § 1 UKlaG.[62] § 2 UKlaG gelangt nicht zur Anwendung.

 

Rz. 23

Werden die Zuwiderhandlungen in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder einem Beauftragten begangen, so ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 UKlaG der Unterlassungsanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs begründet.[63]

 

Rz. 24

Verbraucherschutzgesetze i.S.v. § 2 UKlaG sind nach dessen Abs. 2 "insbesondere" (d.h. beispielhaft)

die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, die für

Haustürgeschäfte (§ 312b und d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB),[64]
Fernabsatzverträge (§§ 312c und d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB),[65]
Verbrauchsgüterkäufe (§§ 474 ff. BGB),[66]
Teilzeit-Wohnrechteverträge, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte sowie Vermittlungsverträge und Tauschsystemverträge (§§ 481 ff. BGB),[67]
Verbraucherdarlehen...

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