Literaturhinweise:

Christl, Prozess-/Verfahrenskostenhilfe für Mehrvergleich, NJW 2021, 2010; Enders, Mitvergleichen nicht anhängiger Ansprüche in einem gerichtlichen Verfahren, JurBüro 2011, 57, 113; ders., Mitvergleichen anderweitig anhängiger Ansprüche, JurBüro 2011, 169, 225, 281, 337, 449; ders., Anwaltsvergütung in arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten mit Prozesskostenhilfe – Mitvergleichen nicht anhängiger Ansprüche, JurBüro 2014, 449, 505, 561; Mock, Der Mehrvergleich im Mahnverfahren, AGS 2022, 55; Schneider, Abrechnung bei Gesamtvergleichen über mehrere anhängige Verfahren, ErbR 2019, 743; ders., Mehrwertvergleiche: Anwaltsvergütung – Gerichtskosten – Kostenerstattung – Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, ZAP 2018, 953; ders., Abrechnung bei schriftlichem Mehrwertvergleich, AGkompakt 2015, 18; ders., Mitvergleichen anderweitig anhängiger Gegenstände, AGkompakt 2014, 62; Zecha, Mehrvergleich: Verfahrenskostenhilfe richtig beantragen, RVGprof. 2015, 135.

 

Rz. 166

Gelegentlich kommt es vor, dass der Rechtsanwalt – manchmal erst kurz vor dem Gerichtstermin oder gar erst im Termin selbst – davon erfährt, dass zwischen den Parteien weitere Ansprüche strittig sind und er daher den Auftrag erhält, zur Beendigung aller Konflikte auch die in diesem Verfahren nicht rechtshängigen Ansprüche mit dem Ziel einer Gesamteinigung zu verhandeln. Während der Mehrvergleich im Bereich des Familien- und Arbeitsrechts häufiger anzutreffen ist, kommt die Konstellation in anderen Rechtsgebieten eher seltener vor.

Die Frage nach den gebührenrechtlichen Auswirkungen wird dabei oft erst im Nachhinein gestellt – ein Fehler, wie zahlreiche Gebührenstreitigkeiten zeigen. Bei diesen geht es zwar gelegentlich auch um die Richtigkeit der Abrechnung an sich, viel häufiger liegt die Wurzel des Übels aber – wenn auch meist nicht so konkret benannt – in der Erstattungsfähigkeit. Unabhängig vom Rechtsgebiet ist es daher unverzichtbar, im Fall der Fälle zumindest die Grundzüge im Hinterkopf zu haben und ganz besondere Aufmerksamkeit walten zu lassen. Andernfalls kann schnell, insbesondere mangels etwaiger Belehrungen, ein Verlust von zum Teil erheblichen Gebühren die Folge sein – bei unverminderter Haftung.

I. Nicht anhängige Ansprüche

 

Rz. 167

Hat der Anwalt den Auftrag, in einem gerichtlichen Verfahren auch Verhandlungen über nicht anhängige, zwischen den Parteien aber streitige Ansprüche zu führen, wirkt sich dies auch auf die Gebühren aus. Für das Führen der Verhandlungen entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG aus dem anhängigen Wert eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG aus dem nicht rechtshängigen Wert. Die ist auch dann der Fall, wenn die Verhandlungen ohne Erfolg bleiben. Nach § 15 Abs. 3 RVG ist zu prüfen, dass nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr entsteht. Ist die Summe der Einzelgebühren geringer als die Kappungsgrenze, sind diese maßgeblich.

 

Rz. 168

Wurden die Verhandlungen im Termin vor Gericht geführt, erhöht sich auch die Terminsgebühr. Die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG entsteht dann aus dem Gesamtbetrag der Werte. Dies gilt auch, wenn nach Erteilung des Auftrags außergerichtliche Besprechungen auch zu dem nichtanhängigen Gegenstand geführt werden. Die Terminsgebühr aus dem Mehrwert entsteht jedoch nicht, soweit lediglich beantragt ist, eine Einigung über nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen.

 

Rz. 169

Waren die Einigungsverhandlungen erfolgreich, hat dies auch Einfluss auf die Einigungsgebühr. Neben der 1,0-Einigungsgebühr aus dem rechtshängigen Wert nach Nr. 1000 i.V.m. Nr. 1003 VV RVG ist auch eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus dem nicht rechtshängigen Wert angefallen. Auch hier ist ein Abgleich nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen.

 

Rz. 170

War der Anwalt hinsichtlich einer der Forderungen bereits außergerichtlich tätig und wurde hierfür eine Geschäftsgebühr abgerechnet, stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG und die Abgleichung nach § 15 Abs. 3 RVG zu erfolgen hat. Hier gilt nach herrschenden Meinung der Grundsatz: erst Anrechnung, dann Abgleich.[98]

[98] OLG München, Beschl. v. 7.3.2012 – 11 WF 360/12; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.2.2011 – 5 WF 220/10; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.1.2009 – 8 W 527/08; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, § 15 Rn 115; AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 Rn 236; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 15 Rn 97.

II. Anderweitig anhängige Ansprüche

 

Rz. 171

Die vorhergehende Abrechnung gilt dem Grunde nach auch, wenn in dem Verfahren Ansprüche mitverhandelt werden, die bereits in einem anderen Verfahren anhängig sind.

Da der Anwalt aus demselben Gegenstand die Gebühren jedoch nicht mehrfach abrechnen kann, sondern insgesamt nur einmal, sind im RVG für den Fall, dass eine Gebühr bereits im anderen Verfahren angefallen ist, Anrechnungsvorschriften enthalten. Für die Verfahrensgebühr gilt Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG, bei der Terminsgebühr Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV RVG. Da ein solcher Vergleich nicht n...

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