Rz. 174

Mehrvergleiche verursachen oft nicht nur bei dem Versuch der korrekten Abrechnung nach dem RVG Kopfschmerzen, sondern auch dann, wenn es an die Erstattung durch Dritte geht. Hier muss wieder genau zwischen dem Entstehen der Gebühren und deren Erstattungsfähigkeit unterschieden werden.

1. Kosten des Vergleichs

 

Rz. 175

Wird zwischen den Parteien eine Einigung erzielt, regeln sie oft auch die Kostentragung. In der Praxis wird dabei meist zwischen den Kosten des Rechtsstreits und den Kosten des Vergleichs unterschieden. Allerdings ist hier nicht ganz unumstritten, welche Gebühren bei einem Mehrvergleich wohin gehören. Nach dem BGH gehören die durch die Verhandlungen über die nicht rechtshängigen Ansprüche verdienten anwaltlichen Gebühren bzw. Gebührenerhöhungen zu den Kosten des Vergleichs und können daher im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.[100]

Um kein (Haftungs-)Risiko einzugehen, sollte der Anwalt aber auf eine eindeutige Regelung hinwirken.

2. Prozesskostenhilfe

 

Rz. 176

Ganz besondere Vorsicht ist bei PKH-Mandaten geboten. Die Gebühren werden aus der Staatskasse nur gezahlt, soweit Prozesskostenhilfe bewilligt ist. Eine automatische Erstreckung erfolgt nicht. Lediglich in Ehesachen ist nach § 48 Abs. 3 RVG eine Erstreckung von Gesetzes wegen vorgesehen. Eine analoge Anwendung der Vorschrift insbesondere in anderen Familiensachen wird abgelehnt. Die Erstreckung muss daher unbedingt vorher beantragt werden. Eine nachträgliche Bewilligung ist nicht möglich. Zwar gehen die Gerichte davon aus, dass der Antrag auch konkludent gestellt werden kann, insbesondere, wenn im Zeitpunkt der Verhandlungen über den PKH-Antrag noch nicht entschieden wurde. Hier sollte jedoch keinerlei Risiko eingegangen werden und die Erstreckung immer und ausdrücklich vor Abschluss des Vergleiches beantragt werden.

 

Rz. 177

Früher war in der Rechtsprechung umstritten, welche Gebühren bezüglich der nicht anhängigen einbezogenen Gegenstände bei einer "Erstreckung auf den Mehrvergleich" im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu zahlen waren. Hier wurden 3 verschiedene Varianten vertreten: nur die zusätzliche Einigungsgebühr, die Einigungs- und die Verfahrensdifferenzgebühr oder aber alle 3 Gebühren – jeweils aus dem Mehrwert.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und mit einer entsprechenden Formulierung in 48 Abs. 1 und 3 RVG klargestellt, dass im Falle einer Erstreckung der Anspruch gegen die Staatskasse alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen umfasst, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.

3. Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 178

Hat die Rechtsschutzversicherung für den Prozess Deckungsschutz erteilt, heißt dies noch lange nicht, dass sie auch alle Kosten trägt. Soll in einem Verfahren ein Mehrvergleich geschlossen werden, ist daher zunächst zu prüfen, inwieweit die zusätzlichen Kosten durch die Rechtsschutzversicherung im konkreten Fall übernommen werden. Je nach zugrundeliegenden ARB kann das Ergebnis unterschiedlich ausfallen. 2005 hatte der BGH in einem Arbeitsrechtsstreit entschieden, dass der Versicherer die Kosten eines Vergleichs in Höhe der Misserfolgsquote des Versicherungsnehmers auch insoweit zu tragen hat, als in den Vergleich weitere, bisher nicht streitige Gegenstände einbezogen worden sind, wenn der Versicherer auch für sie Rechtsschutz zu gewähren hat und sie rechtlich mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits zusammenhingen.[101] Die Versicherungen haben mit verschiedenen Änderungen reagiert und teilweise die Kostenübernahme für die Einbeziehung unstreitiger Ansprüche ausgeschlossen.

 

Rz. 179

 

Praxistipp

Ist beabsichtigt, im Verfahren nicht anhängige Ansprüche mit zu verhandeln, sollte vor gebührenauslösenden Tätigkeiten unbedingt mit dem Mandanten und der Rechtsschutzversicherung die Sachlage geklärt werden, wenn der Anwalt nicht Gefahr laufen will, Gebührenansprüche zu verlieren.

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