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Besonderer Erwähnung bedarf allerdings, dass die im Bereich des allgemeinen Zivilrechts für die Frage der wirksamen Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen sehr wichtigen Absätze 2 und 3 des § 305 BGB auf "Arbeitsverträge" gerade nicht anzuwenden sind (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB):

§ 305 Abs. 2 BGB sieht ganz allgemein vor, dass AGB im Normalfall nur dann Bestandteil eines Vertrags werden, wenn der Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich oder jedenfalls durch deutlich sichtbaren Aushang auf die AGB hinweist und dem Vertragspartner auch die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen. Bei "Arbeitsverträgen" sah der Gesetzgeber jedoch die Einhaltung dieser im allgemeinen Zivilrecht zentralen Vorschriften als nicht notwendig an und hat deshalb in § 310 Abs. 4 BGB vorgesehen, dass allgemein bei Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf "Arbeitsverträge" die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen[124] und eben die § 305 Abs. 2 und 3 BGB nicht anzuwenden sind. Der Begriff des "Arbeitsvertrages" ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Gemeint ist hier nicht nur die erstmalige Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern sämtliche Absprachen und (Gesamt-)Zusagen, die die Vertragsparteien gerade in ihrer Rolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen.[125] Dies umfasst grundsätzlich auch Änderungsverträge und auch Aufhebungsverträge.[126]

Die Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB in diesen Fällen begründet der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber ja schon nach den Vorschriften des Nachweisgesetzes[127] verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer die notwendigen Vertragsbedingungen auszuhändigen bzw. zumindest auf die einschlägigen Tarifverträge, Dienst- oder Betriebsvereinbarungen hinzuweisen.[128] Es erscheint zweifelhaft, ob dies wirklich die Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB in arbeitsrechtlichen Zusammenhängen rechtfertigt,[129] jedoch ist der Gesetzeswortlaut klar und eindeutig. Für eine besondere Einbeziehungskontrolle anhand der § 305 Abs. 2 und 3 BGB ist im Fall von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen damit kein Raum. Vor dem Hintergrund des klaren Wortlauts verbietet sich auch eine analoge Anwendung der § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB.[130] Aus der Nichtanwendbarkeit der § 305 Abs. 2 und 3 BGB folgt zugleich auch, dass eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge, Arbeitsordnungen oder sonstige Regelungen, die nicht selbst im Arbeitsvertrag abgedruckt sind (ggf. auch dynamisch in Form eines Verweises auf die Regelung in ihrer jeweils gültigen Fassung), unabhängig von einer Aushändigung der Regelung bzw. der Möglichkeit der Kenntnisverschaffung durch den Arbeitnehmer im Grundsatz möglich ist.[131]

[124] Vgl. dazu unter Rdn 147 ff.
[125] Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 50.
[126] Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310 BGB Rn 50 sowie Clemenz/Kreft/Krause/Krause, Einführung Rn 104 ff.
[127] Zum NachwG vgl. oben unter § 1 Rdn 30 ff sowie insbesondere § 5.
[128] BT-Drucks 14/6857, 54.
[129] Kritisch Richardi, NZA 2002, 1057, 1058 f. und auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 26.
[131] Schaub/Linck, § 35 Rn 20.

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