Rz. 120

Anzulegen ist dabei eine generelle, typisierende Betrachtungsweise. Es kommt nicht auf die Interessenlage der Vertragsparteien im konkreten Einzelfall an, abzustellen ist vielmehr auf die typische Interessenlage eines Durchschnittsvertragspartners. Individuelle Besonderheiten, die möglicherweise eine besondere – ggf. auch soziale – Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners begründen könnten – z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen oder familiäre Verpflichtungen –, bleiben damit grds. außer Betracht. Ebenso spielt keine Rolle, ob sich die von einer unangemessen benachteiligenden Klausel für den Vertragspartner des Verwenders ausgehenden Gefahren im Einzelfall realisieren oder nicht.[249] Es gilt ein abstrahierter, einheitlicher Prüfungsmaßstab.[250]

Bei der Bildung der relevanten Durchschnittsgruppe und der hierauf aufbauenden typisierenden Betrachtung lässt das BAG in Grenzen allerdings eine gewisse Differenzierung zu: So geht es davon aus, dass die im Rahmen der Angemessenheitskontrolle vorzunehmende Abwägung zu jeweils "gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen" führen kann, wenn AGB für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet werden, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürftigkeit generell unterschiedlich gelagert sind.[251] Eine an der Natur der Tätigkeit oder der jeweiligen Branche ausgerichtete Bildung der relevanten Durchschnittgruppe ist damit ebenso denkbar wir eine Differenzierung nach den am Vertrag beteiligten Akteuren.[252]

 

Rz. 121

Da der Arbeitsvertrag nach h.M. ein Verbrauchervertrag ist, erfährt der Grundsatz der generell-typisierenden Betrachtungsweise allerdings durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB eine praktisch wichtige Einschränkung: Nach dieser Vorschrift sind im Falle eines Verbrauchervertrags – abweichend von den allgemeinen Regeln – auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Berücksichtigt werden kann danach z.B. das Maß der Geschäftserfahrung, Überrumpelungsmomente im Verlauf der Vertragsverhandlungen, die Intensität der Vertragsverhandlungen, der Umfang der ausgetauschten Informationen sowie dem Verwender offenbarte Informationen, die eine besondere Interessenlage des Vertragspartners begründen. Zu berücksichtigen kann vor allem auch ein konkret-individuelles Verhandlungsungleichgewicht sein, welches sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt und über das für ein Arbeitsverhältnis ohnehin typisches Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen noch hinausgeht.[253]

[249] ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 42.
[250] Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 73 f.
[252] Thüsing, Rn 99 hält beispielsweise eine Differenzierung zwischen leitenden und nicht leitenden Arbeitnehmern sowie auf Arbeitgeberseite zwischen Kleinunternehmen und großen Konzernen für zumindest grds. denkbar. Letztlich bleibt die Frage der Bildung der relevanten "Durchschnittsgruppe" allerdings eine Frage des Einzelfalls. Siehe zu dieser Frage auch Clemenz/Kreft/Krause/Klumpp, § 307 BGB Rn 45.
[253] Zu alledem vgl. Däubler/Deinert/Walser/Deinert, § 307 BGB Rn 88 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge