Rz. 116

§ 1038 ZPO befasst sich mit dem Fall, dass der Schiedsrichter entweder untätig oder dass ihm die Aufgabenerfüllung unmöglich ist. Ist ein Schiedsrichter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, seine Aufgabe zu erfüllen oder kommt er ihr aus anderen Gründen nicht in angemessener Form nach, so bestehen drei Möglichkeiten der Beendigung des Schiedsrichteramtes, wobei es stets einer Initiative der Parteien oder des Schiedsrichters bedarf. Anders als der staatliche Richter kann also hier eine Beendigung der Richterstellung erreicht werden, was Ausfluss des im schiedsrichterlichen Verfahren zentralen Grundsatzes der Privatautonomie ist.[64]

 

Rz. 117

Als Gründe, die den Rücktritt beziehungsweise die Beendigung des Schiedsrichteramtes durch Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung begründen können, kommen in Betracht:

Es treten Umstände ein, die die Besorgnis der Befangenheit des Schiedsrichters begründen könnten.
Der Schiedsrichter verliert die im Schiedsrichtervertrag vereinbarte Qualifikation, beispielsweise seine Zulassung als Rechtsanwalt.
Der Schiedsrichter erkrankt und verliert seine Geschäftsfähigkeit.
 

Rz. 118

Diese Umstände führen dazu, dass der Schiedsrichter rechtlich außerstande ist, seine Aufgabe zu erfüllen.

Tatsächlich außerstande ist er, wenn er längerfristig erkrankt und deshalb über längere Zeit nicht in der Lage ist, wenn er eine längere Haftstrafe antreten muss oder wenn er den an ihn gestellten Anforderungen nicht gewachsen ist.

 

Rz. 119

Schließlich können Rücktritt oder Beendigung des Schiedsrichteramtes noch darauf gestützt werden, dass der Schiedsrichter seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkommt. Eine absolute Frist kann hierzu nicht genannt werden. Was angemessen ist, bestimmt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. So kann nicht erwartet werden, dass eine rechtlich und tatsächlich hochkomplexe Streitigkeit in derselben Zeit erledigt wird, die für eine einfache Angelegenheit angemessen wäre. Zu berücksichtigen ist auch das Verhalten der Parteien selbst. So kann es dem Schiedsrichter nicht angelastet werden, wenn die Verzögerung der Erledigung darauf beruht, dass der geforderte Vorschuss nicht eingezahlt wurde, oder dass seitens der Parteien immer wieder um Verlegung von durch das Schiedsgericht bestimmten Terminen gebeten wurde.

 

Rz. 120

Die Frage, ob der Schiedsrichter seinen Aufgaben in angemessener Zeit nachkommt, ist nach der Zumutbarkeit weiteren Abwartens zu beurteilen. Das Schiedsgerichtsverfahren soll den Parteien dienen. Wird es derart verzögert, dass ihnen Nachteile entstehen, die bei der Verhandlung vor dem staatlichen Gericht fehlen würden, sind die Voraussetzungen des § 1038 ZPO erfüllt. Dabei verbinden die Parteien mit der Vereinbarung eines Schiedsverfahrens regelmäßig die Erwartung eines zügigeren Verfahrensablaufs als beim staatlichen Gericht. Andererseits können im Schiedsverfahren nicht mehrere Instanzen angerufen werden. Weil staatlichen Gerichten über § 1038 ZPO nicht die Möglichkeit gegeben werden soll, den Struktur- und Zeitplan eines Schiedsgerichts mit ­eigenen Vorstellungen auszufüllen, ist der Anwendungsbereich der Norm auf Ausnahmefälle beschränkt.[65]

 

Rz. 121

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so bestehen folgende Möglichkeiten der Beendigung des Schiedsrichteramtes:

 

Hinweis

Der Schiedsrichter kann jederzeit seinen Rücktritt vom Schiedsrichteramt erklären. Erkennt der Schiedsrichter, dass er zur Erfüllung seiner Aufgabe nicht in der Lage ist, oder hat er andere Gründe, seine Tätigkeit nicht weiter auszuüben, so kann er jederzeit zurücktreten. Dieser Rücktritt hat zur Folge, dass das Schiedsrichteramt endet. Allerdings liegt der Schiedsrichtertätigkeit ein Vertrag, der Schiedsrichtervertrag, zu Grunde. Dieser Vertrag wird von dem Rücktritt nicht berührt. Während der Rücktritt auch ohne wichtigen Grund möglich ist, kann der Vertrag nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, so dass der Rücktritt ohne entsprechende Gründe Schadensersatzansprüche der Parteien auslösen kann.

Der Rücktritt ist formlos möglich.

Die Parteien können die Beendigung des Schiedsrichteramtes vereinbaren. Sind sich beide einig, so führt eine entsprechende Einigung dazu, dass das Amt des Schiedsrichters endet. Auch diese Einigung kann wiederum formlos getroffen werden.
Kommt eine im Rahmen der Privatautonomie getroffene Vereinbarung der Parteien nicht zustande, so kann im Falle der Verzögerung der Verfahrenserledigung eine Entscheidung durch das staatliche Gericht in Betracht kommen. Diese Entscheidung setzt einen entsprechenden Antrag einer Partei voraus. Zuständig ist nach § 1062 Abs. 1 ZPO das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Das Gericht entscheidet gemäß § 1063 Abs. 1 ZPO durch Beschluss, der nach § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anfechtbar ist.
 

Rz. 122

Der Rücktritt des Schiedsrichters oder die Beendigung des Schiedsrichteramtes durch Parteivereinbarung hat nicht zur Folge...

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