Rz. 735

§ 5 Abs. 1 regelt das Recht und die Pflicht des Chefarztes zur Delegation[1345] der ihm nach dem Chefarztvertrag obliegenden Aufgaben, insbesondere der ärztlichen Aufgaben auf nachgeordnete ärztliche Mitarbeiter. Bei der Aufgabenübertragung hat der Chefarzt zum einen Sorge zu tragen, dass die ihm zur ärztlichen Ausbildung zugewiesenen Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgebildet werden, insbesondere in die Lage versetzt werden, während der Ausbildungszeit die Anforderungskataloge der jeweiligen ärztlichen Weiterbildungsordnungen[1346] zu erfüllen. Andererseits muss der Chefarzt Sorge tragen, dass die Delegation entsprechend dem Ausbildungs- und Kenntnisstand des Arztes erfolgt und eine ausreichende Überwachung sichergestellt ist, um zu vermeiden, dass aus einer Aufgabenübertragung an fachlich (noch) nicht geeignete ärztliche Mitarbeiter vermeidbare Patientenschädigungen resultieren, aus denen Arzthaftungsansprüche von Patienten unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens hergeleitet werden können. Besonderes Augenmerk ist in diese Zusammenhang auf den Bereich der sog. Anfängeroperationen[1347] zu legen.

Bei der – stationären oder ambulanten – Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern sowie der ­vertragsärztlichen Tätigkeit aufgrund einer persönlichen Ermächtigung oder einer durchgangsärztlichen Tätigkeit gegenüber einem bei einem Arbeitsunfall verunfallten Patienten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist darüber hinaus auch im Falle der Delegation dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung und den hierdurch gezogenen Grenzen der Delegationsbefugnis[1348] Rechnung zu tragen. Dies bedeutet auch, dass der Chefarzt Leistungen, die nach dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung nicht delegierbar sind, sog. höchstpersönliche Leistungen, nicht auf nachgeordnete ärztliche Mitarbeiter delegieren darf. Die Übertragung dieser Aufgaben auf einen ständigen Vertreter ist gleichfalls nur in sehr engen Grenzen zulässig.[1349]

Die – zulässige – Delegation von ärztlichen Aufgaben durch den Chefarzt führt nicht dazu, dass der Chefarzt von seiner bestehenden Verantwortung für die medizinischen Abläufe bei der Führung der Abteilung frei wird. An die Stelle der Pflicht zum dem maßgeblichen Facharztstandard entsprechenden persönlichen Tätigwerden tritt in diesen Fällen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Koordination und Überwachung der eingesetzten Mitarbeiter. Dem hat der Chefarzt durch planvolle Organisation der Aus- und Weiterbildung in seiner Abteilung, durch sachangemessene Personaleinsatzplanung und durch regelmäßige Kontrollen im Einzelfall Rechnung zu tragen. Dies wird durch § 5 Abs. 1 S. 2 des Vertragsmusters ausdrücklich klargestellt.

 

Rz. 736

§ 5 Abs. 2 bis 4 des Mustervertrages regeln die in der arbeitsteiligen Medizin und aufgrund der Anforderungen eines Krankenhauses mit mehreren Abteilungen bestehende Abstimmungsnotwendigkeit zwischen den leitenden Ärzten und mit externen Kooperationspartnern außerhalb des Krankenhauses. § 5 Abs. 2 normiert eine entsprechende Kooperationsverpflichtung des Chefarztes. Eine besondere Ausprägung dieser Kooperationsverpflichtung wird in § 5 Abs. 3 für Chefärzte bettenführender Abteilungen dadurch begründet, dass sie verpflichtet werden, vorübergehend freie Betten ihrer Abteilung anderen leitenden Ärzten zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll bei vorübergehender Unterauslastung der Abteilung eine möglichst weitgehende Vollauslastung des Krankenhauses insgesamt und damit die Wirtschaftlichkeit des Krankenhausbetriebes sichergestellt werden. Die Regelung ist notwendig, um zu vermeiden, dass der Chefarzt geltend macht, dass die seiner Abteilung zugewiesenen Betten selbst dann nur durch Patienten seiner Abteilung belegt werden können, wenn die Abteilung nicht vollständig ausgelastet ist.

Zugleich wird die Kooperationsverpflichtung – soweit medizinisch vertretbar und rechtlich zulässig – auf den Kreis der im Krankenhaus tätigen und mit dem Krankenhaus kooperierenden Ärzte und sonstigen Leistungserbringer beschränkt. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen regelt § 5 Abs. 4 des Vertragsmusters eine entsprechende Beschränkung auch für die Inanspruchnahme von Personal, Geräten und Einrichtungen Dritter. Mit diesen Regelungen wird die Entscheidungsfreiheit in genuin medizinischen Angelegenheiten[1350] im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Krankenhausträger eingeschränkt. Dies ist rechtlich zulässig, solange dem Chefarzt im Verhältnis zum Krankenhausträger im konkreten Behandlungsfall die Letztentscheidung hinsichtlich der ärztlichen Diagnostik und Therapie überlassen bleibt,[1351] was im Muster durch die vorgeschlagenen Einschränkungen vorgesehen ist.

 

Rz. 737

Auch die Regelung in § 5 Abs. 5 dient der Sicherstellung der berufsrechtlich vorgegebenen ärztlichen Entscheidungsfreiheit bei Diagnostik und Therapie, wobei in Satz 2 klargestellt wird, dass durch die berufsrechtlich vorgegebene ärztliche Entscheidungsfreiheit das aus der Arbei...

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