Rz. 1406

Bezugnahmeklauseln sind gesondert zu behandeln, wenn sie vor Einführung der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 in sog. Altverträgen vereinbart wurden.[3123] Aus Gründen des Vertrauensschutzes richtet sich die Behandlung dieser Bezugnahmeklauseln nach der alten, mittlerweile überholten Rechtsprechung des BAG zu Bezugnahmeklauseln.[3124]

Die Klauseln sind primär nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Dieser liegt vornehmlich in einer Gleichstellung der tarifgebundenen Arbeitnehmer mit solchen, die nicht oder anderweitig tarifgebunden sind ("Gleichstellungszweck").[3125] Bezugnahmeklauseln in Altverträgen sind daher als Gleichstellungsabrede zu verstehen. Um diese Gleichstellung zu gewährleisten, ist im Zweifel eine dynamische Bezugnahme anzunehmen, sofern sich nichts Gegenteiliges aus dem Arbeitsvertrag oder den Umständen des Vertragsschlusses ergibt.[3126]

Diese Auslegung zieht in mehreren Fallgestaltungen rechtliche Folgen nach sich. Eine dynamische Klausel wandelt sich etwa in eine statische Klausel, wenn ein organisierter Arbeitgeber seine Tarifbindung verliert.[3127] Sie verliert dagegen ihre Dynamik nie, wenn der Arbeitgeber von vornherein bei Vertragsschluss nicht organisiert war. Bei einem Betriebsübergang ist die Klausel als statische Verweisung auszulegen, wenn der Betriebserwerber eine andere Tarifbindung hat als der Veräußerer.[3128] Entsprechendes gilt bei einem Herauswachsen aus dem Tarifvertrag.[3129]

Diese Auslegung gilt nicht nur für Altverträge, sondern auch bei Bezugnahme auf Tarifverträge qua betrieblicher Übung.[3130]

[3123] Der Stichtag 1.1.2002 ist aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung eingeführt und teilweise kritisiert worden.
[3124] Das BAG hat seine alte Rechtsprechung Ende 2005 aufgegeben.
[3125] Zur älteren Rspr. BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607, 608, Rn 14 m.w.N.; Klebeck, NZA 2006, 15 ff.
[3126] Vgl. BAG 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607, 608, Rn 14; statt vieler zur Auslegung Jacobs/Krause/Oetker, § 6 Rn 193 ff.; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rn 597.
[3127] Vgl. BAG 26.11.2002 – 4 AZR 663/01, NZA 2003, 805; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rn 538 ff.; Clemenz, NZA 2007, 769.
[3128] BAG 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390; Clemenz, NZA 2007, 769; kritisch zu dieser Auslegung Melot de Beauregard, NJW 2006, 2522, 2525 [unvereinbar mit der Rspr. des EuGH].
[3129] Hierzu etwa Clemenz, NZA 2007, 769 f.
[3130] Sutschet, NZA 2008, 679, 687 mit Hinweis, dass u.U. die betriebliche Übung vorteilhafter sein kann.

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