Rz. 948
In inhaltlicher Hinsicht kann die Bezugnahme auf Tarifverträge in vielfältigen Varianten eingesetzt werden. Das gilt bereits für den Gegenstand des Bezugsobjekts. Denkbar ist die Verweisung sowohl im Hinblick auf einzelne Tarifverträge (z.B. einen Manteltarifvertrag) als aber auch auf ein Bündel von Tarifverträgen (Tarifwerk). In Betracht kommt zudem auch eine Beschränkung der Bezugnahme auf einzelne Vorschriften oder Abschnitte eines Tarifvertrages (z.B. Bemessung des bei Krankheit und Urlaub fort zu zahlenden Arbeitsentgelts, Kündigungsfristen).[2114] Ferner kann sich die Bezugnahme auf abgelaufene Tarifverträge erstrecken,[2115] was bedeutsam ist, wenn die Bezugnahmeklausel während des Stadiums der Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) in den Arbeitsvertrag für ein neu begründetes Arbeitsverhältnis aufgenommen werden soll.
Rz. 949
Problematisch ist vor allem die Dynamik der Bezugnahme, die in der neueren Rechtsprechung in zahlreichen Urteilen thematisiert wird. Diese hat zwei Komponenten: Eine zeitliche und eine inhaltliche. In zeitlicher Hinsicht kann sich die Bezugnahme auf die Tarifverträge in einer bestimmten Fassung beschränken (statische Bezugnahme) oder aber auf deren jeweilige Fassung erstrecken, so dass spätere Änderungen des Tarifvertrages automatisch Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden.[2116] Ist eine derartige Dynamik gewollt, so kommen in inhaltlicher Hinsicht zwei Varianten in Betracht. Erstens die Benennung eines bestimmten fachlich und räumlich konkretisierten Tarifvertrages (kleine dynamische Bezugnahmeklausel), zweitens eine auch in fachlicher Hinsicht offene Formulierung, die insbesondere spätere Veränderungen im Hinblick auf den für den Betrieb einschlägigen Tarifvertrag nachvollziehen soll (große dynamische Bezugnahme). Die letztgenannte Klausel kann bei nichttarifgebundenen Arbeitgebern bedeutsam sein, wenn in dem Arbeitsvertrag auf Verbandstarifverträge verwiesen wird und später die Anwendung eines Firmentarifvertrages in Frage steht. Entsprechendes gilt bei einer Betriebsveräußerung, wenn der Erwerber an einen anderen als den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden ist.[2117]
Rz. 950
Bei tarifgebundenen Arbeitgebern gilt dies ebenfalls,[2118] wobei noch ein etwaiger Tarifwechsel infolge eines veränderten Betriebszwecks sowie der Verbandsaustritt oder -wechsel als Anwendungsfall hinzutritt. Wird die Bezugnahmeklausel von tarifgebundenen Arbeitgebern verwendet, so bezweckt diese aus Sicht des Arbeitgebers in erster Linie eine Gleichstellung der nicht kraft Tarifrechts an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer (ohne oder anderweitige Verbandsmitgliedschaft) mit denen, die kraft Mitgliedschaft in der Tarifvertragspartei auf Arbeitnehmerseite an diesen gebunden sind. Für eine derartige Vertragsgestaltung hat sich die Bezeichnung "Gleichstellungsabrede" eingebürgert. Das gilt nicht nur, wenn auf das gesamte Tarifwerk Bezug genommen wird, sondern auch, wenn sich die Bezugnahme auf einen einzelnen Tarifvertrag oder einzelne Tarifbestimmungen beschränkt.[2119]
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