Rz. 1695
Das Stichwort "internes Whistleblowing" betrifft die Frage, unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, seinen Arbeitgeber über das rechtswidrige Verhalten von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder Dritten zu informieren. Das BAG hat in einer älteren Entscheidung eine solche Anzeigepflicht unter der Voraussetzung bejaht, dass den Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen eine Überwachungspflicht trifft, sich das Fehlverhalten des Dritten im eigenen – zu überwachenden – Aufgabenbereich des Arbeitnehmers abspielt und Wiederholungsgefahr droht.[3861] Ausdrücklich offengelassen hat das Gericht die Frage, ob ein Arbeitnehmer allgemein verpflichtet ist, gegen den Arbeitgeber gerichtete schädigende Handlungen seiner Arbeitskollegen anzuzeigen.[3862] Im Schrifttum wird dies überwiegend mit der Einschränkung bejaht, dass dem Arbeitgeber erhebliche Schäden drohen.[3863] Eine allgemeine "Denunziationspflicht", wonach der Arbeitnehmer jegliche schädigende Handlung von Arbeitskollegen dem Arbeitgeber anzuzeigen hätte, wird dagegen überwiegend abgelehnt.[3864] Wo die Grenze liegt und im welchem Maße sich die kraft Gesetzes bestehende Anzeigepflicht vertraglich erweitern lässt, ist derweil noch offen.[3865] Eine Pflicht, Verstöße zu melden, besteht nicht, wenn sich der Arbeitnehmer dabei selbst bezichtigen würde.[3866] Stellt der Arbeitnehmer beim internen Whistleblowing bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen auf, kann dies ebenso eine fristlose Kündigung rechtfertigen wie eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen.[3867]
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