Rz. 1

Führt das schädigende Ereignis nicht nur zu Nachteilen, sondern auch zu Vorteilen für den Geschädigten, so ist deren Anrechnung auf den Schadensersatzanspruch zu prüfen. Das BGB enthält zu den Voraussetzungen, Folgen einer Vorteilsausgleichung keine grundsätzliche Regelung, sondern überlässt eine solche Rechtsprechung und Lehre. Lediglich Einzelregelungen wie § 642 Abs. 2 BGB sehen eine Vorteilsausgleichung vor, andere wie z.B. § 843 Abs. 4 BGB schließen sie ausdrücklich aus. Vorteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) ist eine Konsequenz aus der Differenztheorie: Da das Vermögen im Ganzen in dem Zustand, in dem es sich ohne das Schadensereignis hypothetisch befinden würde, mit dem Zustand verglichen werden muss, in dem sich das Vermögen nach dem Schadensereignis tatsächlich befindet, ergibt sich, insbesondere unter Berücksichtigung des Bereicherungsverbotes, dass dabei nicht nur vermögensmindernde Veränderungen, sondern auch Vermögensverbesserungen Berücksichtigung finden müssen. Es gibt Vorteile, die von vornherein bloße Berechnungsfaktoren des Schadens bilden, und andere, die erst infolge des Schadens eingetreten sind und hinsichtlich derer aufgrund einer rechtlichen Wertung zu entscheiden ist, ob sie auf den entstandenen und zunächst berechneten Schaden angerechnet werden sollen. Die Übergänge sind fließend. Vorteilsausgleichung setzt voraus, dass der Verletzte unmittelbar nach dem Schadensereignis Vermögensvorteile erhält; diese Vorteile entstehen regelmäßig aus der gleichen Quelle wie das Schadensereignis selbst. Volle Identität des schädigenden und des den Vorteil herbeiführenden Ereignisses ist nicht erforderlich.[1]

 

Rz. 2

Der Anwendungsbereich der Grundsätze über die Vorteilsausgleichung erstreckt sich unmittelbar auf Schadensersatzansprüche jeglicher Art, beispielsweise auch auf einen aus § 845 BGB,[2] ferner auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch.[3] Der Rechtsgedanke, dass ein Geschädigter für erlittene Nachteile zu entschädigen ist, aber aus einem schädigenden Ereignis keinen Gewinn erzielen soll, wurde in der Rechtsprechung aber auch beim Rückforderungsanspruch im Rahmen einer umfassenden Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags (heute § 358 BGB, früher § 3 HWiG, § 9 VerbrKrG) entsprechend angewendet.[4] Eine entsprechende Anwendung wird auch auf Nacherfüllungsansprüche sowie auf Ansprüche aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag bejaht, soweit ein Schaden als Aufwendung gewertet wird.[5]

 

Rz. 3

Keine Anwendung finden die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf Erfüllungsansprüche und Ansprüche aus dem AnfG. Auch bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) kommt eine Anwendung nicht in Betracht, da es nur einen einheitlichen Anspruch auf Herausgabe des Überschusses nach Saldierung der Aktiv- und Passivposten gibt, der dem Teil zusteht, zu dessen Gunsten sich ein Saldo errechnet.[6]

[1] RGZ 10, 50; RGZ 64, 350.
[2] Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.3.1987 – 10 U 128/86, FamRZ 1988, 1051.
[3] BGH, Urt. v. 25.6.1992 – III ZR 101/91, NJW 1992, 2884.
[5] Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, Vorbem. vor § 249 Rn 76 m.w.N.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge