Rz. 75

Denkbar ist die Konstellation, wonach mehrere Mieter einen Mietvertrag abgeschlossen haben, die nicht unter §§ 563, 563a BGB fallen und einer diese Mieter verstirbt. Eine ausdrückliche Bestimmung, wie in diesem Fall zu verfahren ist, gibt es nicht. Die Diskussion, wie mit diesen Fällen zu verfahren ist, bleibt nach wie vor kontrovers,[102] wobei eine Lösung immer unter dem Aspekt betrachtet werden muss, dass ein einheitliches Mietverhältnis nur insgesamt gekündigt werden kann.[103]

 

Rz. 76

Zum Teil wird in der Rechtsprechung[104] die Auffassung vertreten, dass bei dieser Konstellation keiner der Parteien ein Kündigungsrecht zustehen soll, denn der Wortlaut des Gesetzes gibt den übrig gebliebenen Mitmietern gerade kein Kündigungsrecht.[105] Das Reichsgericht hat in einer Entscheidung[106] nur den Erben ein Kündigungsrecht zugestanden, nicht aber den übrigen Mitmietern. Andere wiederum meinen sowohl dem Vermieter als auch den Mietern in diesen Fällen ein Sonderkündigungsrecht einräumen zu müssen, weil es sich hier um einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage handele, mit der Folge, dass sowohl den Erben als auch den Mitmietern ein Sonderkündigungsrecht zustehen muss, da ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sei.[107] Der Tod eines Mitmieters sei eine einschneidende Veränderung, auf die beide Seiten angemessen reagieren können müssen.

 

Rz. 77

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang Folgendes: Jede Ansicht, die per se von einer Kündigungsmöglichkeit zugunsten der Mitmieter ausgeht, findet keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Auch die Interessenslage gibt diese Kündigungsmöglichkeit nicht her, denn alle Mitmieter haben sich als Gesamtschuldner von vornherein verpflichtet und waren sich darüber bewusst, möglicherweise in Anspruch genommen zu werden für den Fall, dass ein Mitmieter ausfällt. Würde man demzufolge den Mitmietern ein gesondertes Kündigungsrecht zusprechen, würde man zugleich das Interesse des Vermieters an der Langlebigkeit seines Mietvertrags unberücksichtigt lassen. Aus diesem Grund wird hier die Auffassung vertreten, dass die Mitmieter kein Sonderkündigungsrecht nach § 564 BGB besitzen.

Im Umkehrschluss führt dies auch dazu, dass dem Vermieter nicht von vornherein ein Sonderkündigungsrecht zustehen kann, denn auch die Mitmieter haben ein berechtigtes Interesse daran, den Bestand ihres Mietverhältnisses zu sichern.[108]

Das Mietverhältnis wird zunächst mit den Mitmietern fortgesetzt. An die Stelle des Verstorbenen tritt der Erbe oder die Erbengemeinschaft in das Mietverhältnis ein.

 

Rz. 78

Somit bleibt die Frage offen, ob die Erben ein eigenständiges unbedingtes Kündigungsrecht besitzen. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass ein Mietverhältnis nur einheitlich gekündigt werden kann und Teilkündigungen nicht möglich sind[109] und ferner das Interesse des Vermieters besteht, einen möglicherweise langfristigen Mietvertrag zu behalten. Zum Teil wird deshalb auch die Ansicht vertreten, dass ein Sonderkündigungsrecht für die Erben nicht bestehen soll.[110] Anders wiederum sieht es ein Teil des Schrifttums und spricht den Erben ein Sonderkündigungsrecht zu. Nach dieser Auffassung habe der Gesetzgeber diese Interessen bei § 564 BGB sehr wohl berücksichtigt und die Interessen der Erben in den Vordergrund gerückt.[111] Dies führt in der Konsequenz dazu, dass den Erben ein Kündigungsrecht (Sonderkündigungsrecht) zusteht, auch dann, wenn sie als Erbengemeinschaft in den Mietvertrag eintreten.[112] Ein gesonderter Kündigungsgrund sei in diesen Fällen nicht notwendig, denn der Gesetzgeber habe insoweit eine ausreichend formale Hürde aufgebaut für die Mitmieter, denn diese Kündigung könne nur einheitlich durch alle Mieter (und somit auch die Mitmieter) erklärt werden kann.[113]

Diese Auffassung ist vorzugswürdig, denn sie berücksichtigt sehr wohl die Interessen der Mitmieter und trägt der grundsätzlichen Konzeption von § 564 BGB Rechnung, den Erben ein Sonderkündigungsrecht an die Hand zu geben. Einigen sich Erben und Mitmieter nun innerhalb der gesetzlichen Frist darauf, das Mietverhältnis zu beenden, so kann die Kündigung – als einheitliche für und gegen alle wirkende Erklärung – erfolgen. Gelingt dies nicht, so bleiben die Mieter untereinander durch das Mietverhältnis miteinander verbunden.

 

Hinweis

Wer als Mitmieter sicherstellen möchte, dass im Todesfall eines Vertragspartners das Mietverhältnis mit allen Parteien aufgelöst wird muss dies individuell im Mietvertrag vereinbaren. Wird diese Problematik frühzeitig angesprochen zeigt sich, dass beide Seiten an einer konkreten Regelung dieser Problematik ein Interesse besitzen und es regelmäßig zu konsensfähigen Lösungen kommt.

[102] Vgl. hierzu ausführlich Eckert, GS Sonnenschein, 2003, S. 313 ff.
[103] OLG Naumburg, Urt. v. 19.4.2002 – 6U 202/99, n.v.; Emmerich/Sonneschein/Rolfs, § 564 Rn 2.
[104] OLG Naumburg, Urt. v. 19.4.2002 – 6U 202/99, n.v.
[105] So auch Schmidt-Futterer/Streyl, § 564 Rn 8; Emmerich/Sonnenschein/Rolfs, § 564 Rn 2.
[106] RGZ 90, 328, 330 ff.
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