Rz. 33

Voraussetzung für das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs ist, dass der Berechtigte – ohne die ihn beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen – tatsächlich Erbe geworden wäre. Ist der (potentiell) Pflichtteilsberechtigte bereits aus anderen Gründen von der Erbfolge ausgeschlossen, kann durch eine Verfügung von Todes wegen seine berechtigte Erberwartung nicht mehr enttäuscht werden; folglich steht ihm auch kein Pflichtteilsanspruch zu. Somit scheidet ein Pflichtteilsanspruch z.B. aus, wenn der Berechtigte vor oder gleichzeitig (§ 1923 Abs. 1 BGB) mit dem Erblasser verstirbt,[86] wenn er für erbunwürdig erklärt wird[87] oder wenn das Pflichtteilsrecht durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem Erblasser verloren gegangen ist. Insbesondere der Pflichtteilsverzichtsvertrag sowie der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht[88] (§ 2346 Abs. 1 BGB) sind hier von Bedeutung. Sie erstrecken sich grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Berechtigten und stellen daher regelmäßig eine Verfügung über das künftige Erb- und Pflichtteilsrecht des ganzen Stammes dar.[89]

 

Rz. 34

Die Fälle, in denen der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser nicht "zureichend" bedacht wurde, also das ihm Hinterlassene (sei es ein Erbteil oder Vermächtnisse) nicht den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils erreicht, regeln die §§ 2305 bis 2308 BGB.[90] Während § 2305 BGB den Bestand der benachteiligenden letztwilligen Verfügung grundsätzlich unangetastet lässt und dem Berechtigten nur einen persönlichen Anspruch gegen die Miterben (Pflichtteilsrestanspruch[91] oder "Zusatzpflichtteil")[92] einräumt, sehen die §§ 2306 ff. BGB Regelungen vor, denen zufolge sich der Pflichtteilsberechtigte von den belastenden Anordnungen des Erblassers durch Ausschlagung gänzlich befreien kann. Dies ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2305 BGB zumeist nicht möglich. Der Pflichtteilsberechtigte – mit Ausnahme des überlebenden Ehegatten[93] – kann hier gerade nicht ausschlagen und den vollen Pflichtteil verlangen.[94] Oftmals ist § 2305 BGB zusätzlich zu § 2306 bzw. § 2307 BGB anzuwenden.[95]

[86] Das Gleiche gilt, wenn der Berechtigte im Fall der gesetzlichen Erbfolge gem. § 1930 BGB von einem Verwandten einer vorrangigen Ordnung verdrängt würde bzw. wenn ein entfernter Abkömmling durch einen näheren ausgeschlossen wird, § 1924 Abs. 2 BGB, vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2303 Rn 30.
[87] Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich die Erbunwürdigkeit nicht auf die Abkömmlinge des für erbunwürdig Erklärten erstreckt, Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2303 Rn 30.
[88] Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2303 Rn 31.
[89] Die Verträge i.d.S. sind aber streng zu trennen von sog. Erbschaftsverträgen, durch die der Berechtigte gem. § 311b Abs. 4 BGB (früher § 312 Abs. 2 BGB) zugunsten eines Miterben mit rein schuldrechtlicher Wirkung auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, sowie von Zuwendungsverzichten gem. § 2352 BGB, durch die das gesetzliche Erbrecht ebenfalls unberührt bleibt, vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2303 Rn 31.
[90] RGZ 93, 3, 5 f.; MüKo/Lange, § 2305 Rn 1.
[91] Staudinger/Herzog, § 2305 Rn 2.
[92] Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2305 Rn 1.
[93] MüKo/Lange, § 2305 Rn 6.
[94] Vgl. Mot. V S. 392; Prot. V S. 503; MüKo/Lange, § 2305 Rn 4.
[95] RGZ 93, 3 ff.; Staudinger/Herzog, § 2305 Rn 4.

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