1. Allgemeines
Rz. 113
Der Pflichtteilsanspruch besteht gem. § 2303 BGB in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Die betragsmäßige Höhe des Pflichtteilsanspruchs hängt daher von zwei Faktoren ab: von der Erb- bzw. Pflichtteilsquote und von dem Wert des Nachlasses. Art und Weise der Ermittlung des Nachlasswerts sind in §§ 2311–2313 BGB geregelt. Dabei ist logischerweise in zwei Schritten vorzugehen:[295] Zunächst muss der Bestand des Nachlasses definiert bzw. festgestellt werden. Alle zum Nachlass gehörenden Aktiva und Passiva sind zu ermitteln und sodann in einer Art Nachlassbilanz[296] anzusetzen. Im zweiten Schritt schließt sich die Bewertung der angesetzten Vermögensgegenstände an. Der Nettowert des Nachlasses (buchhalterisch vergleichbar mit dem Eigenkapital in der Bilanz) ergibt sich als Differenz aus Aktiva und Passiva.
2. Stichtagsprinzip
Rz. 114
Nach § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB ist der für die Bewertung maßgebliche Zeitpunkt (Stichtag) der Tod des Erblassers.[297] Wertveränderungen nach dem Stichtag sind im Rahmen der Nachlassbewertung nicht zu berücksichtigten; sie dürfen sich auf die Höhe des Pflichtteilsanspruchs nicht auswirken.[298] Das Stichtagsprinzip bedeutet indes nicht, dass zukünftige Entwicklungen völlig außer Acht zu lassen sind. Vielmehr sind wertbeeinflussende Faktoren, die am Stichtag bereits im Keim angelegt waren, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestieren, auf jeden Fall zu berücksichtigen (Wurzeltheorie).[299] Das Stichtagsprinzip bezieht sich demnach nicht auf den Wert des jeweiligen Nachlassgegenstands als solchen, sondern vielmehr auf die für die Bewertung maßgeblichen Faktoren, die zwingend aus der Sicht des Stichtags zu ermitteln sind.[300]
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