Rz. 35

Voraussetzung für die Anwendung des § 2305 BGB ist, dass der Pflichtteilsberechtigte Miterbe geworden ist.[96] Soweit der dem Pflichtteilsberechtigten zugewendete Erbteil belastet ist, spielt dies keine Rolle; entscheidend ist aber, dass er wertmäßig hinter der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zurückbleibt.[97] Maßgeblich ist hierbei grundsätzlich ein Vergleich der hinterlassenen Erbquote mit der Hälfte der dem Pflichtteilsberechtigten zustehenden gesetzlichen Erbquote.[98] Die Voraussetzung, dass der Erbteil frei von Beschränkungen sein muss, ist wegen der Änderung von § 2306 Abs. 1 BGB entfallen. § 2305 S. 2 BGB ordnet nun ausdrücklich an, dass bei der Berechnung des Werts des hinterlassenen Erbteils Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art außer Betracht bleiben.

 

Rz. 36

Wurden dem Pflichtteilsberechtigten mehrere Erbteile hinterlassen (z.B. infolge eines den Pflichtteilsberechtigten begünstigenden Ersatzerbfalls), sind sie zusammenzurechnen und gelten insgesamt als belastet.[99] Der mit einem unzureichenden Erbteil i.S.d. § 2305 BGB bedachte Pflichtteilsberechtigte bleibt grundsätzlich zu dem ihm hinterlassenen Bruchteil Erbe.

 

Rz. 37

Der Pflichtteilsrestanspruch (Zusatzpflichtteil) besteht in der Differenz zwischen dem zugewendeten Erbteil und dem Pflichtteil (= Hälfte des gesetzlichen Erbteils). Soweit der zugewendete Erbteil reicht, ist ein Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen, sodass auch die Ausschlagung des Hinterlassenen nicht zum vollen Pflichtteil führt.[100] Auch nach Ausschlagung steht dem Berechtigten nur der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB zu;[101] von der Teilhabe am Nachlass im Übrigen ist er ausgeschlossen.[102]

[96] Bei gesetzlicher Erbfolge kommt § 2305 BGB nur in Betracht, wenn der Erblasser Dritte in einem solchen Maße zu Erben beruft, dass für den gesetzlich erbenden Pflichtteilsberechtigten wertmäßig weniger als der Pflichtteil verbleibt; ansonsten sind vorrangig §§ 2306 ff. BGB anzuwenden, vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2305 Rn 2.
[97] Demjenigen, dem genau die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils hinterlassen wurde, hat weder einen Pflichtteils- noch einen Pflichtteilsrestanspruch, vgl. OLG Koblenz DNotZ 1974, 597, 598; Staudinger/Herzog, § 2305 Rn 10.
[98] Hat der Erblasser keine Quoten bestimmt, sondern bestimmte Vermögensgegenstände dinglich zugewiesen, muss die Erbquote aus dem Wertverhältnis der zugewiesenen Gegenstände zum gesamten Nachlass abgeleitet werden, Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2305 Rn 3 ff.
[99] Staudinger/Herzog, § 2305 Rn 7.
[100] Mot. V S. 392; Prot. V S. 503; MüKo/Lange, § 2305 Rn 7.
[101] RGZ 93, 3, 9; 113, 45, 48; BGH NJW 1958, 1964; BGH NJW 1973, 995, 996; MüKo/Lange, § 2305 Rn 4; Soergel/Dieckmann, § 2305 Rn 3.
[102] Staudinger/Herzog, § 2305 Rn 11.

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