Rz. 108

Fällt der Zuwendungsempfänger vor oder nach dem Erbfall weg und treten andere Abkömmlinge des Erblassers an seine Stelle, wirkt die Anrechnungsbestimmung auch gegen sie (§ 2315 Abs. 3 i.V.m. § 2051 Abs. 1 BGB).[281] Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erblasser dies angeordnet hat[282] oder die Anrechnungsbestimmung erkennbar nur für den Zuwendungsempfänger getroffen sein sollte.[283] Die Ausgleichung von Vorempfängen führt nur im Fall der gesetzlichen Erbfolge zur Gleichstellung aller Abkömmlinge. Im Pflichtteilsrecht wird dieses Ziel nicht erreicht, da den eingesetzten Abkömmlingen wenigstens die Hälfte des Werts ihres Vorempfangs ungekürzt verbleibt.[284] Eine gleichmäßige Behandlung aller Abkömmlinge kann der Erblasser aber dadurch erreichen, dass er neben der Ausgleichung Anrechnungspflichten anordnet, § 2316 Abs. 4 BGB. Um hierbei eine Doppelanrechnung zu vermeiden, wird bei der Berechnung zunächst der gesetzliche Erbteil nach Abs. 1 errechnet. Von dem anschließend ermittelten Ausgleichungspflichtteil ist dann die anrechnungspflichtige Zuwendung hälftig in Abzug zu bringen.[285]

 

Beispiel

Erblasser E hinterlässt seine Kinder A und B. Der Nachlass hat einen Wert von 20.000 EUR. A hat eine ausgleichungspflichtige Zuwendung i.H.v. 8.000 EUR und B i.H.v. 2.000 EUR erhalten. Beide Zuwendungen sind zugleich auf den Pflichtteil anzurechnen. Zum Alleinerben ist der Freund F eingesetzt.

Bildung des Ausgleichungsnachlasses: 20.000 + 8.000 + 2.000 EUR = 30.000 EUR.

Die Ausgleichungsquote beträgt ½. Es ermitteln sich mithin die Ausgleichungserbteile wie folgt:

Ausgleichungspflichtteil des A:

Ausgleichungserbteil: 15.000 – 8.000 EUR = 7.000 EUR.

Ausgleichungspflichtteil: 7.000 EUR : 2 = 3.500 EUR

3.500 EUR – (8.000 EUR : 2) = 0.

Ausgleichungspflichtteil des B:

Ausgleichungserbteil: 15.000 – 2.000 EUR = 13.000 EUR

Ausgleichungspflichtteil: 13.000 EUR : 2 = 6.500 EUR.

6.500 EUR – (2.000 EUR : 2) = 5.500 EUR

B erhält einen Pflichtteil i.H.v. 5.500 EUR.[286]

 

Rz. 109

Die Kombination von Ausgleichung und Anrechnung bewirkt neben der Gleichstellung der Abkömmlinge eine Entlastung des zur Zahlung des Pflichtteils verpflichteten Erben. Im Beispielfall beträgt die Pflichtteilslast für F nur 5.500 EUR statt 10.000 EUR. Ob dieses Ergebnis tatsächlich bewirkt werden sollte, ist durch Auslegung der vom Erblasser bei der Zuwendung getroffenen Anordnung zu ermitteln.[287]

[281] MüKo/Lange, § 2315 Rn 16; wegen weiterer Einzelheiten vgl. Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2315 Rn 13 ff.
[282] Staudinger/Herzog, § 2315 Rn 16.
[283] Soergel/Dieckmann, § 2315 Rn 15.
[284] Soergel/Dieckmann, § 2316 Rn 20.
[285] BayObLGZ 1968, 112; Staudinger/Herzog, § 2316 Rn 50; Soergel/Dieckmann, § 2316 Rn 20; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 53; vgl. auch das folgende Beispiel nach Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2316 Rn 19.
[286] Beispiel entnommen aus Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 53.
[287] Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2316 Rn 19 f.

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