Rz. 105

Nach dem Wortlaut des Gesetzes vollzieht sich die Anrechnung, indem der Wert der Zuwendung dem Nachlass hinzugerechnet und ein "Anrechnungsnachlass" gebildet wird. Ob und mit welchem Wert die Zuwendung noch vorhanden ist,[272] spielt dabei keine Rolle. Anschließend wird der Vorempfang in voller Höhe von dem aus dem Anrechnungsnachlass bestimmten Pflichtteil abgezogen. Die Bildung des Anrechnungsnachlasses erfolgt gesondert für jeden Pflichtteilsberechtigten, der eine anrechenbare Zuwendung erhalten hat.[273]

 

Beispiel

Erblasser E hinterlässt drei Kinder, A, B und C. Der Nachlasswert beträgt 50.000 EUR. A muss sich 10.000 EUR und B 4.000 EUR anrechnen lassen. Die anrechnungspflichtigen Zuwendungen sind nicht ergänzungsrelevant. Erbe ist der familienfremde F.

Pflichtteil A: (50.000 + 10.000 EUR) : 6 – 10.000 EUR = 0 EUR

Pflichtteil B: (50.000 + 4.000 EUR) : 6 – 4.000 EUR = 5.000 EUR

Pflichtteil C: 50.000 EUR : 6 = 8.333,33 EUR

 

Rz. 106

Übersteigt der Wert der Zuwendung den Pflichtteil, so ist der betroffene Pflichtteilsberechtigte nicht zum Ausgleich eines etwaigen Mehrempfangs verpflichtet.[274] Soweit es sich bei der Zuwendung aber um eine Schenkung handelt, können Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. §§ 2325, 2329 BGB bestehen.

[272] Zur Risikoverteilung hinsichtlich der Wertentwicklung vgl. Staudinger/Herzog, § 2315 Rn 44 ff.
[273] Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2315 Rn 9; MüKo/Lange, § 2315 Rn 12.
[274] MüKo/Lange, § 2315 Rn 14.

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