Rz. 126

Die vom Gesetzgeber in den §§ 2311, 2312, 2313 BGB niedergelegten Vorgaben sind in weiten Teilen unvollständig.[388] Ziel der Bewertung ist es aber nach h.M., den vollen, wirklichen Wert der einzelnen Nachlassgegenstände und somit des Nachlasses insgesamt zu ermitteln.[389] Problematisch ist dies bereits deswegen, weil das BGB den vollen, wirklichen Wert nicht ausdrücklich definiert, sondern ihn stattdessen sozusagen voraussetzt.

 

Rz. 127

§ 9 Abs. 2 BewG bestimmt den gemeinen Wert anhand des Preises, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bleiben außen vor. Die Übernahme dieser steuerrechtlichen Definition begegnet wohl keinen Bedenken.[390] Dass durch den Erblasser angeordnete Wertfestsetzungen bzw. Vorgaben nicht verbindlich sind, stellt § 2311 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich klar. Die Regelung erfasst aber über ihren Wortlaut hinaus auch die Vorgabe bestimmter Bewertungsmethoden, wenn bzw. soweit diese nicht die Ermittlung des wahren Werts zum Ziel haben. Selbst die Person des Schätzers kann der Erblasser nicht vorschreiben.[391] Auch subjektive Verwendungsentscheidungen des Erben dürfen sich auf die Wertermittlung nicht auswirken. Vielmehr ist von einem "idealen Erben", der seine wirtschaftlichen Dispositionen allein an wirtschaftlich vernünftigen und nachvollziehbaren Kriterien ausrichtet, auszugehen.[392]

[388] Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 60.
[389] BGH LM § 2311 Nr. 5; OLG München BB 1988, 429, 431; Meincke, Recht der Nachlassbewertung, S. 147 f.; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 61.
[390] J. Mayer, ZEV 1994, 331; BGHZ 8, 213, 221.
[391] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 50.
[392] Vgl. BGH NJW-RR 1991, 900; BGHZ 13, 45, 47; BGHZ 14, 368, 376; OLG Stuttgart NJW 1967, 2410, 2411; OLG Düsseldorf BB 1988, 1001; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 361; Lange/Kuchinke, § 37 VII 3 b; Kipp/Coing, § 9 II 2 a); MüKo/Lange, § 2311 Rn 25; Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2311 Rn 51.

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