1. Rechtsnatur

 

Rz. 477

Der Pflichtteilsberechtigte kann eine unmittelbare Beteiligung an dem Nachlass in Höhe seiner Pflichtteilsrechtsquote, gemessen am Netto-Nachlass, beanspruchen. Damit ist allerdings keine Stellung als Erbe verbunden. Die Beteiligung am Netto-Nachlass bedeutet z.B., dass der Pflichtteilsberechtigte für die Nachlassverbindlichkeiten nicht haftet. Ob der Pflichtteil echtes Noterbrecht ist oder auf Einräumung einer Beteiligung am Nachlass gerichtetes Forderungsrecht, ist in der spanischen Lehre umstritten,[485] spielt in der Praxis aber keine Rolle, da der Berechtigte eine Beteiligung am Nachlass in natura verlangen und nur in Sonderfällen durch eine Geldzahlung abgefunden werden kann.

 

Rz. 478

Ein Ausschluss dieser Erbenbeteiligung ist z.B. für Familienunternehmen, landwirtschaftliche, gewerbliche oder Fabrikbetriebe möglich. Der Vater, welcher einen solchen Betrieb im Interesse seiner Familie ungeteilt erhalten möchte, kann gem. Art. 1056 Abs. 2 CC testamentarisch anordnen, dass der zum Erben eingesetzte Abkömmling die übrigen Kinder in Geld auszubezahlen hat. Diese erhalten dann lediglich einen auf Geld gerichteten Zahlungsanspruch.[486] Gem. Art. 841 CC kann der Erblasser aber auch im Testament anordnen, dass der gesamte oder ein Teil des Nachlasses einem der Abkömmlinge zugewiesen wird und die übrigen Pflichtteilsberechtigten in Geld ausbezahlt werden. Diese Anordnung ist mit Zustimmung der Abkömmlinge oder gerichtlicher Genehmigung wirksam, Art. 843 CC.

 

Rz. 479

Die Entziehung des Pflichtteils ist durch testamentarische Enterbung gem. Art. 848 ff. CC nur in schwerwiegenden Fällen, wie z.B. bei Unterhaltsverweigerung oder körperlicher Misshandlung, möglich. Der Grund für die Enterbung ist im Testament zu nennen.

[485] Siehe Hierneis, Erbrecht, S. 232 f. m.w.N.
[486] Arroyo i Amayuelas, in: Röthel, Reformfragen, S. 260.

2. Pflichtteilsberechtigte Personen

 

Rz. 480

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge und, soweit sie zur Erbfolge berufen wären, die Vorfahren des Erblassers. Der Ehegatte ist in erster und zweiter Ordnung kein Noterbe, da er schon im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge nicht Erbe würde. Das ihm am Nachlass im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zustehende Nießbrauchsrecht freilich hat insgesamt Pflichtteilscharakter, so dass es ihm auch bei testamentarischer Erbfolge in voller Höhe zwingend zusteht, es sei denn, er lebte vom Erblasser getrennt, Art. 834 CC. Der nichteheliche Lebensgefährte hat nicht nach gemeinspanischem Recht, wohl aber in einigen Foralrechten (z.B. auf den Balearen und im katalanischen Recht) eine zwingende Beteiligung am Nachlass.

3. Pflichtteile der Abkömmlinge

 

Rz. 481

Den Abkömmlingen steht als Pflichtteil insgesamt zwei Drittel des Nachlasses zu. Eigenheit des spanischen Rechts ist die noch auf das Recht der westgotischen Könige zurückgehende Teilung des Nachlasses in drei Teile: Neben einem "freien Drittel", über das der Erblasser nach Belieben von Todes wegen und unter Lebenden verfügen kann (el tercio de libre dispisición), und einem weiteren streng pflichtteilsgebundenen Drittel (legítima estricta) des Nachlasses, das entsprechend den gesetzlichen Erbquoten den Abkömmlingen (heredos forzosos) zwingend zu gleichen Teilen zusteht, tritt ein "Aufbesserungsdrittel" (el tercio de mejora), über das der Erblasser nach Belieben zugunsten eines oder mehrerer der Abkömmlinge verfügen kann, Art. 823 ff. CC. Soweit der Erblasser keine Verfügung über das Aufbesserungsdrittel vorgenommen hat, wird es wie das streng pflichtteilsgebundene Drittel unter den Pflichtteilsberechtigten gleichmäßig verteilt. Diese Kombination wahrt die Familiengebundenheit des pflichtteilsgebundenen Vermögensteils, gibt dem Erblasser aber in diesem Rahmen eine gewisse Dispositionsfreiheit, insbesondere bei der Zuweisung von landwirtschaftlichen bzw. gewerblichen Betrieben oder anderen größeren Vermögenseinheiten, die nicht geteilt werden sollen.

 

Rz. 482

Die Noterbteile werden nach einem Nachlass berechnet, der aus dem vom Erblasser hinterlassenen Vermögen nach Abzug der Schulden (Reinnachlass, relictum) zuzüglich der anrechnungspflichtigen lebzeitigen Schenkungen (donatum) gebildet wird. Der Noterbteil bezieht sich also nicht auf eine Quote des tatsächlich hinterlassenen Nachlasses, sondern auf einen entsprechend erhöhten Nachlass. Er stellt daher eine wert- und nicht eine quotenmäßige Beteiligung am Nachlass dar. Durch Schenkungen unter Lebenden kann eine Person gem. Art. 636 CC nur so weit über ihr Vermögen verfügen, wie sie durch Testament verfügen könnte. Bei der Berechnung des für die Pflichtteilsrechte maßgeblichen Nachlasses sind dem tatsächlich hinterlassenen Netto-Nachlass sämtliche lebzeitigen Schenkungen hinzuzurechnen, soweit sie der Kollation unterliegen, Art. 818 Abs. 2 CC.

 

Rz. 483

Umgekehrt hat sich ein Noterbe gem. Art. 819 CC die ihm vom Erblasser lebzeitig zugewandten Schenkungen auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen. Nach der Rechtsprechung ist dabei die zwischenzeitlich eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen, indem die Bewertung nicht mit dem ...

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