Rz. 36

Für alle ab dem 17.8.2015 eingetretenen Erbfälle ist auch in Finnland das Erbstatut nach den Vorschriften der EUErbVO zu bestimmen. Die gem. Art. 75 Abs. 3 EUErbVO zu beachtende Nordische Nachlasskonvention ist allein hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aspekte vorrangig anzuwenden und hat damit auf die Rechtsanwendung keine Auswirkungen.

Das Haager Testamentsformübereinkommen ist seit dem 23.8.1976 in Kraft und gem. Art. 75 Abs. 1 EUErbVO aus finnischer Sicht für einseitige und gemeinschaftliche Testamente weiterhin vorrangig anzuwenden.

 

Rz. 37

Das Erbstatut wurde bis zum 1.3.2002 gewohnheitsrechtlich an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Vom 1.3.2002 an bis zur Anwendbarkeit der EUErbVO galt eine an das Nordische Nachlassabkommen gesetzliche angelehnte Regelung, die stark dem Haager Erbrechtsabkommen ähnelte und damit mittelbar auch das Kollisionsrecht der EUErbVO bereits zum großen Teil vorwegnahm (Kap. 26 § 5 finn. ErbG). Das Erbstatut wurde an das Domizil des Erblassers angeknüpft, soweit das Domizil in seinem Heimatstaat liegt oder zumindest fünf Jahre vor dem Tode beibehalten wurde. Hilfsweise gilt das Heimatrecht des Erblassers. Eine Rechtswahl ist zugunsten des Heimatrechts oder des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt möglich.

 

Rz. 38

Gem. Kap. 7 § 1 Abs. 1 finn. ErbG sind nur die Leibeserben (Abkömmlinge) pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteil ist gem. Kap. 7 § 1 ErbG echtes Noterbrecht. Es beträgt gem. Kap. 7 § 1 Abs. 2 ErbG die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Gesetzliche Erben sind gem. § 1 die Leibeserben des Erblassers. Sind keine Leibeserben vorhanden, ist der Ehegatte alleiniger Vorerbe vor den Eltern. Der Ehegatte – mit ihm gleichberechtigt der registrierte gleichgeschlechtliche Lebenspartner[40] – wird gem. Kap. 3 § 1 finn. ErbG neben Leibeserben nicht gesetzlicher Erbe, neben Eltern, Geschwistern und Abkömmlingen von Geschwistern Erbe zu ½ (Kap. 3 § 1 Abs. 2 ErbG). Der Pflichtteil der Kinder erfasst also stets die Hälfte des Nachlasses. Dem Nachlass ist zuzurechnen, was der Erblasser als Vorschuss auf die Erbfolge gewährt hatte, und Schenkungen, die einer letztwilligen Verfügung gleichkommen bzw. einem Abkömmling in der Absicht gewährt wurden, Pflichtteile zu vereiteln. Der Pflichtteilsberechtigte hat seinen Pflichtteil innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis von dem Testament dem testamentarisch Begünstigten gegenüber durch Mitteilung geltend zu machen. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist gem. Kap. 17 § 1 Abs. 2 ErbG möglich.

 

Rz. 39

Der überlebende Ehegatte hat kein Pflichtteilsrecht. Er erhält einen auf der Basis der aufgeschobenen Gütergemeinschaft berechneten Ausgleichsanspruch gegen den Nachlass. Ist sein eigenes Vermögen größer als das des Erblassers, ist er aber zur Leistung einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung in den Nachlass nicht verpflichtet. Ferner darf er die eheliche Wohnung samt Einrichtung bis zu seinem Tod fortnutzen. Auch hat er gem. Kap. 8 § 2 ErbG – vorbehaltlich der Pflichtteilsrechte der gesetzlichen Erben – Anspruch auf einen Geldbetrag oder die Übertragung anderen Vermögens zur Sicherung des "angemessenen Unterhalts".

[40] So von Knorre/Mincke, in: Süß, Erbrecht in Europa, Finnland Rn 57.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge