Rz. 325

Gem. § 776 Abs. 1 ABGB kann der Erblasser durch testamentarische Anordnung den Pflichtteil eines pflichtteilsberechtigten Verwandten auf die Hälfte reduzieren, wenn er mit diesem zu keiner Zeit in einem Näheverhältnis gestanden hat, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht. Das Näheverhältnis ist nicht erst gegeben, wenn sich der Vater um eine Herstellung einer persönlichen Beziehung bemühte, es reicht schon, wenn er über seine Rolle als "Zahlvater" hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme erkennen ließ.[361] Die Pflichtteilsminderung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr "grundlos abgelehnt hat".[362] In Frage kommt aber auch der Fall, dass die Eltern bei Geburt des Kindes nicht (mehr) zusammenlebten oder sich kurz darauf trennten.[363] Obgleich sich diese Regelung nicht ausdrücklich auf uneheliche Kinder bezieht, ist dennoch der uneheliche Abkömmling praktischer Hauptanwendungsfall und Anlass zum Erlass der Bestimmung gewesen.

Neuerung durch die Erbrechtsreform ist, dass die Pflichtteilsminderung nun auch dann angeordnet werden kann, wenn die Beteiligten "über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden" in keinem Näheverhältnis standen. Von einem entsprechenden "längeren Zeitraum" ist nach der Regierungsbegründung zum Entwurf bei einem Zeitraum von 20 Jahren auszugehen.

 

Rz. 326

Durch die Pflichtteilsminderung reduziert sich der Pflichtteil des Kindes auf ein Viertel[364] des gesetzlichen Erbteils, und zwar zugunsten der "frei verfügbaren Quote".

 

Rz. 327

Die Pflichtteilsminderung muss nicht ausdrücklich erfolgen. Die seit 2005 geltende Neufassung fordert keine Anordnung der Pflichtteilsminderung mehr. Nach der Literatur kann sie daher auch stillschweigend erfolgen, soweit sie sich nur in einem formgerechten Testament angedeutet finde, z.B. indem dem Betreffenden ein Vermächtnis zugewandt wird, dessen Wert unter dem Wert des vollen Pflichtteils liegt.[365]

[361] OGH vom 25.10.1996, NZ 1997, 370.
[362] § 773a Abs. 3 ABGB, eingefügt durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001.
[363] So Ferrari, in: Henrich/Schwab, Familienerbrecht, S. 183. Nach § 182b ABGB bleibt das gesetzliche Erbrecht zu den leiblichen Eltern erhalten.
[364] Neben einem Ehegatten und einem weiteren Kind des Erblassers erhielte das betroffene Kind mithin allein 1/12.
[365] So Eccher, in: Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 773a Rn 6; kritisch Samek, Pflichtteilsrecht, S. 28.

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