Rz. 129

Ob ein Erblasser das Recht hat, über sein gesamtes Vermögen nach seinem Gutdünken zu verfügen oder ob ein bestimmter Teil seinen Kindern und seinem Ehegatten vorbehalten ist, unterliegt nach englischem IPR dem Erbstatut, also dem auf die succession anwendbaren Recht.[134]

 

Beispiel

Hinterlässt ein mit domicile in York verstorbener Engländer ein Ferienhaus in Marseille, das er testamentarisch seiner Nichte zugewandt hat, könnten seine Kinder diesbezüglich auch aus englischer Sicht die ihnen nach französischem Recht zustehenden Noterbquoten geltend machen.

 

Rz. 130

Die Gewährung von family provision dagegen ist in Sect. 1 (1) Inheritance Act auf die Fälle beschränkt, in denen der Erblasser mit domicile in England oder Wales verstorben ist. Da hier die persönlichen Bedürfnisse der Beteiligten im Vordergrund stehen, ist die Überwindung der Nachlassspaltung sinnvoll.[135] Für in England belegene Immobilien kann somit vor den dortigen Gerichten keine family provision beantragt werden, wenn der Erblasser mit domicile im Ausland verstorben ist. Zur Begründung wird darauf verwiesen, die Angehörigen sollten in diesen Fällen am domicile des Erblassers um gerichtlichen Schutz nachsuchen.[136] In der Literatur wird diese Beschränkung vielfach kritisiert, da sie die Gewährung von family provision auch dann verhindere, wenn das am domicile geltende Recht – wie z.B. das australische – für die Gewährung von family provision in Bezug auf den unbeweglichen Nachlass auf das jeweilige Belegenheitsrecht verweist.[137]

Der englische Erblasser mit Immobilien in England könnte also diese Immobilien z.B. den Regeln über die family provision endgültig dadurch entziehen, dass er ein domicile in Schottland, auf den Kanalinseln oder auf der Isle of Man erwirbt.[138]

[134] So Cheshire/North, S. 1272 (für movables) und S. 1279 (für immovables).
[135] Zur Kritik in England Wolf, Zum internationalen Ehegüter- und Ehegatttenerbrecht in England, S. 165 ff.
[136] Kanda Rovati, Succession, S. 187.
[137] So geschehen in Re Bailey [1985] 2 NZLR. 656; Dicey/Morris, 27–049. Obwohl sowohl das neuseeländische als auch das englische Recht family provision gewähren würden, kann hier die englische Immobilie nicht einbezogen werden.
[138] So Mellows, Succession, Rn 15.2.

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