Rz. 266

Mit Wirkung vom 1.10.1996 an wurden in den Niederlanden die Kollisionsnormen des bislang noch nicht in Kraft getretenen Haager Erbrechtsübereinkommens vom 1.8.1989 (ErbRAbk)[299] durch das Gesetz über das Kollisionsrecht der Erbfolge in Kraft gesetzt.[300] Ab dem 1.1.2012 war das internationale Privatrecht in den Niederlanden im neuen Buch 10 des Burgerlijk Wetboek (B.W.) geregelt. Die Verweisungsnormen des Gesetzes über das Kollisionsrecht der Erbfolge wurden dabei in die Art. 10:145 ff. B.W. übernommen. Die Kollisionsnormen des Haager Erbrechtsabkommens, welches mangels weiterer Ratifikationen noch nicht in Kraft ist, gelten daher aufgrund dieser Verweisung in den Niederlanden als autonomes nationales Recht.

 

Rz. 267

Mit Wirkung vom 17.8.2015 an wurden diese Regeln durch die EUErbVO ersetzt. Da das Kollisionsrecht der EUErbVO weithin dem Haager Erbrechtsabkommen 1989 entspricht, ergeben sich in den Niederlanden durch den Übergang zur EUErbVO allerdings keine tiefgreifenden Änderungen. Wichtigste Änderung dürfte wohl sein, dass eine Rechtswahl zugunsten des am gewöhnlichen Aufenthalt geltenden Rechts unter der EUErbVO nicht mehr länger zulässig sein wird.

 

Rz. 268

Das Haager Testamentsformübereinkommen ist für die Niederlande am 2.11.1969 in Kraft getreten.[301]

 

Rz. 269

Gem. Art. 3 ErbRAbk unterliegt die Erbfolge in erster Linie dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er zugleich die Staatsangehörigkeit dieses Staates hatte, Art. 3 Abs. 1 ErbRAbk. War er nicht Angehöriger des Aufenthaltsstaates, gilt das Recht des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte dennoch, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort für die Dauer von mindestens fünf Jahren unmittelbar vor seinem Tode gehabt hatte, Art. 3 Abs. 2 ErbRAbk. Ausgenommen ist der Fall, dass der Erblasser in außergewöhnlicher Weise offensichtlich mit seinem Heimatstaat enger verbunden war. Gemeint sind hiermit z.B. die Fälle, in denen der Erblasser lediglich aus (vorübergehenden) beruflichen Gründen im Aufenthaltsstaat gelebt hat oder sich als Rentner in den Süden zurückgezogen hat, ohne dass eine soziale und kulturelle Integration stattgefunden hat.[302] Hier kommt es dann zur Geltung des Heimatrechts.

 

Rz. 270

Hat der gewöhnliche Aufenthalt noch keine fünf Jahre bestanden, bleibt es schließlich ebenfalls bei der Geltung des Heimatrechts, Art. 3 Abs. 3 ErbRAbk. Auch dies gilt allerdings nicht, sofern "der Erblasser mit einem anderen Staat enger verbunden war". Eine derartige Ausnahme mag z.B. gegeben sein, wenn der Erblasser "Auswanderer" ist, also bereits mit seinem Heimatstaat gebrochen hatte. Dann ist das Recht des Einwanderungsstaates anzuwenden.

 

Rz. 271

Rück- und Weiterverweisungen durch das ausländische IPR sind gem. Art. 17 ErbRAbk grundsätzlich unbeachtlich. Weiterverweisungen sind zu befolgen, wenn die Rechtsordnung, auf die die Weiterverweisung erfolgte, die Verweisung annimmt, Art. 4 Art. 17 ErbRAbk.

 

Rz. 272

Die beiden Vorbehalte haben in Deutschland Anlass zu Kritik am Abkommen gegeben. Die Rechtssicherheit gehe verloren.[303] Dieser Vorwurf ist m.E. unbegründet, da das Abkommen gerade das Recht für anwendbar erklärt, mit dem sich der Erblasser am engsten verbunden fühlte und auf dessen Anwendbarkeit er und seine Familie sich verlassen haben.[304]

 

Rz. 273

Bei der Beerbung von Niederländern, die dauerhaft in Deutschland gelebt haben, kommt es aufgrund der Bestimmungen des ErbRAbk aus deutscher Sicht regelmäßig zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht, so dass gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB ausschließlich deutsches materielles Erbrecht anwendbar ist.[305] Da aus niederländischer Sicht die Verweisung Sachnormverweisung ist, gilt dies auch aus niederländischer Sicht. Allerdings würde ein Umzug in die Niederlande dazu führen, dass sofort niederländisches Heimatrecht anwendbar wäre. Vorsichtshalber sollte in das Testament eines niederländischen Erblassers daher stets eine Bestimmung aufgenommen werden, welches Erbrecht gelten soll.

 

Rz. 274

Gem. Art. 5 Abs. 1 ErbRAbk kann der Erblasser in testamentarischer Form eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des Rechts eines der Staaten treffen, denen er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes angehörte oder in denen er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Rechtswahl wirkt sich vorbehaltlich des ordre public (Art. 18 ErbRAbk) auch auf die Pflichtteilsrechte aus.[306] Sie lässt sich daher auch zur Pflichtteilsgestaltung einsetzen, zumal es nicht schadet, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in dem Staat, dessen Recht gewählt wurde, im Zeitpunkt des Erbfalls längst wieder aufgegeben worden war.[307] Trifft ein niederländischer Erblasser eine Rechtswahl, wäre diese aus deutscher Sicht im Wege einer Rück- oder Weiterverweisung zu beachten.

 

Rz. 275

Die Parteien eines Erbvertrages können gem. Art. 11 ErbRAbk durch ausdrückliche Rechtswahl den Erbvertrag bezüglich seiner materi...

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